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Wandertagebuch PCT - August 2022
31.08.2022 - Stehekin Zwischenstop
Essen zu kaufen in so einem kleinen Ort gar nicht so einfach, weil der einzige Shop eher nur Andenken verkauft. Auch meine kleine Ration, die ich mir von Bent hergeschickt hatte, war jetzt gar nicht so ausreichend. Allerdings konnte ich wenigstens die Wäsche waschen, obwohl so viele Hiker hier "gleichzeitig" aufgeschlagen sind. Der Shuttlebus bringt einen für 10 Dollar vom Trailhead nach Stehekin (ca. 15km)....zu den (leider) kalten Duschen und den zwei Waschmaschine für die Hiker. Zum Glück schadete es nicht, dass der Wäschetrockner nicht funktionierte, denn es sind gut und gerne noch 30°C und so warm.
Wichtig auch: Powerbank und alle Batterien aufgeladen
Und dann schnell wieder zurück zum Trailhead. Allerdings mit 20 Minuten Zwischenstop an der Bakery - so dermaßen lecker! Eine Win-Win-Situation für die Bakery und uns Hiker!
Noch kurz etwas zu den Hikerboxen und dem "Verhandeln" an solchen Treffpunkten: Nicht jedes Essen, dass man sich kauft oder zusammenmischt und dann mit sich herumschleppt, schmeckt einem dann auch. Da sind Hikerboxen dann auch Tauschbörsen. Und wenn da dann drei, vier gleichzeitig sind, dann kann das zum bunten Markt der Dinge werden, die der eine nicht mehr braucht oder haben will und der andere es gerne nimmt. Und Hikerboxen sind auch Rettung für solche, bei denen das voraus geschickte Versorgungspaket verloren geht - was leider auch immer wieder passiert.
27.08.2022 - Stevens Pass und Richtung Stehekin
Nach dem Gedränge am Snoqualmie Pass und dem dort grassierenden Noro-Virus hatte auch ich am nächsten Wandertag einen Spatengang mehr wie gesund ist. Da trieb mich ja schon die Sorge etwas um, dass es mich doch auch erwischt hatte. Zum Glück waren es wohl eher die Pfirsiche und der (ungewohnte) Kaffee. So konnte ich in den vergangenen Tagen zum Glück vom Noro-Virus unberührt wandern. Fühle mich sogar ausgesprochen gut und fit. Viele andere wünschen sich nur noch, dass es zu Ende geht, aber ich werde vielleicht noch ein wenig weiter gehen.
Meine Freundin in Canada ist leider krank und deshalb habe ich etwa zwei Wochen noch, die ich mit „Weiterwandern“ füllen kann. Darauf habe ich richtig Lust. Noch ist nicht klar, was ich mach. Die Idee ist, vom Northern Terminus einfach wieder gen Süden zu wandern und all die Menschen (Gesichter) noch zu treffen, die die letzten Monate das ein oder andere Mal mich auf dem Weg begleitet haben oder die ich überholt habe.
Alternativ sind nun in Oregon wieder alle Teile des PCT feuerfrei und nicht mehr gesperrt. Ich könnte also auch diese übersprungenen Teile noch erwandern. Allerdings ist Washington so schön….und nochmals zwei Wochen durch frisch verbranntes Land gehen, nur um den PCT in Gänze durchwandert zu haben….mal sehen, noch bin ich unenschlossen.
Ich erwähne es auf den Videos nur selten, aber Pausen werden hier oben bisweilen etwas kürzer, weil….das stechende Volk einen nicht lässt. Was der Sand in und unter den Schuhen in der Mojave-Wüste war, sind hier die lästigen Schnaken: eine stete und unausweichliche Qual. Einen Ausgleich bilden die vielen reifen Waldfrüchte, die einen immer wieder zu einem kurzen Stopp verlocken.
Inzwischen bin ich im Northern Cascade Nationalpark nahe dem Lacier Peak und bin ständig begeistert, wie wunderschön die Landschaft von Washington ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass es so heimisch wirkt…als Kind des südlichen Schwarzwalds.
Es sind noch einige Tage ohne dauerhafte Mobilfunkverbindung oder gar WLAN. Eben Backland, Hinterland mit wilder Schönheit und wenig Zivilisation. Der PCT ist allerdings leider auch etwas „wild“, denn die Volunteers der PCTA haben noch reichlich zu tun, die umgestürzten Bäume vom Weg zu entfernen. Die Empfehlung lautet: Plant einen Tag mehr ein für die Strecke bis Stehekin!
Ansonsten vermisse ich inzwischen etwas die warme Kleidung, die ich so etwa bei der Hälfte des PCT nach Norden gesandt habe. Leider ist das Paket mit meinen warmen Sachen nie angekommen. Jetzt, mit deutlich längeren Nächsten, kühlen Stunden am Morgen und Abend und öfter auch schlechterem Wetter ist mir echt kalt. Mal sehen, was ich dagegen noch machen kann.
Freue mich auf jeden der nächsten Tage und auch auf die unerhoffte Verlängerung der Wanderfreude. Sende euch allen einen herzlichen Gruß vom PCT!
21.08.2022 - Snoqualmie Pass in den Northern Cascades
Durch die Feuerumfahrungen drängen sich auch an dieser Versorgungstation mehr PCT-Hiker als gewöhnlich zusammen. Auf dem Trail sind Corona und nun auch der Noro-Virus keine Unbekannten. Oft werden die relativ teuren Zimmer doppelt und dreifach gemeinsam genutzt, um die Kosten gering zu halten. Auch sonst kommt es immer wieder zu dichtem Gedränge. So verwundert es doch nicht, dass selbst Menschen, die ständig in der freien Natur sind, sich anstecken und dann oft tagelang nicht weiter können. Mir ging es ja auch nicht anders. Hier am Snoqualmie Pass jedenfalls sind ein Teil der Unterkünfte zum Krankenlager mutiert.
Lea, meine Begleitung, hat es auch erwischt und sie braucht die Pause am Snoqualmie Pass. Ich allerdings werde nach dieser Nacht wieder weiter gehen - auch, um nicht am Ende doch noch (wieder) angesteckt zu werden. Ausserdem ist der Verkehrslärm des Highways so laut, dass an einen tiefen Schlaf nicht zu denken ist. Doch zuvor wird wieder einmal eingekauft, Wäsche gewaschen und z.T. auch so gut es geht repariert. Das Material gibt langsam auf und ich muß hoffen, dass soweit alles bis in 14 Tagen noch durchhält.
Ich hoffe mal, dass ich die nächste Nacht dann wieder ruhiger schlafen kann. Allerdings gibt es immer wieder Zeitgenossen, die ihr Zelt am liebsten an meinen Zeltnägeln mit befestigen würden. Die kennen keine Distanz und pflanzen sich trotz ausreichend Platz unmittelbar neben einen. Das gefällt mir zugegebenermaßen überhaupt nicht. Denn der PCT ist eben auch ein Ort, um Abstand zu gewinnen - durchaus auch im direkten Sinn des Wortes. Aber erst einmal gibt es eine Nacht in einem richtigen Bett...ohne damit sagen zu wollen, dass ich nicht auch gut auf der Thermounterlage im Schlafsack schlafen kann (2392 Meilen von 2650 Meilen gesamt, also noch 412 Kilometer zu wandern).
19. August 2022 - Mt. Rainier Wilderness ohne "wilderness"
Nirgends auf dem Trail hatte ich so viele Dayhiker, Tageswanderer oder Spaziergänger wie rund um den Mt. Rainier. Es ist Ferienzeit, Wochenende und das Gebiet natürlich eine Torusitenattraktion. Fast ist es schon zu viel, was hier auf den Wanderwegen und vor allem Parkplätzen los ist. Aber einen Vorteil hatte es dann doch: Ich hatte vor lauter Trubel vergessen, den Wasservorrat aufzufüllen. Durstig machte ich mich auf einem Parkplatz auf die Suche nach einer eigenen Trailmagic. Ich sprach eine junge Frau an, ob sie mir etwas Wasser geben könnte - anders wie bei den meisten Tageswanderer mit nagelneuen Rucksäcken und wenig benutzten Schuhen sind wir Thruhiker ja sofort an dem Zustand unserer Ausrüstung zu erkennen. Sie und ihre Begleiterin waren sofort dabei, mir Wasser zu geben. Und dann kam noch das Angebot dazu, Blueberry-Muffins zu bekommen. Ich kenne keinen PCT-Wanderer, der bei so einem Angebot "Nein" sagen würde. Der latente Hunger lässt Hemmschwellen sinken ;-) Schließlich kam es so weit, dass sie großzügig ihren Vorrat an Leckereien im Kofferraum an die vorbeikommenden PCT-Hiker verteilten. TrailMagic für alle in dem Moment.
Die Gegend nahe dem Mt. Rainier ist einfach traumhaft. Leider gibt es auch in Oregon große Bereiche mit verbranntem Wald. Die Trockenheit der letzten heißen Sommer hat auch hier die Grundlage geschaffen, dass Wälder flächenhaft abbrennen konnten. Inzwischen habe ich gelernt, dass ein bis zwei Jahrzehnte mit wenigen Bränden fast eher ein Nachteil sind. Die erfolgreiche Löscharbeit der Feuerwehrleute bewirkt, dass die Wälder sich lückenlos entwickeln können - und dann bei einem Brand vollständig abbrennen. Ganz anders, wie wenn immer wieder mal kleine Brände Lücken und Schneisen im Wald hinterlassen, denn so bilden sich natürliche Sperren für das weitere Ausbreiten des Feuers.
18. August 2022 - Gedanken zu dem, was ich euch hier nicht senden kann
Was mir immer wieder schwer fällt, in Worte zu fassen, sind diese auch nicht in Bildern zu fassenden Eindrücke. Ihr wisst, die der anderen Sinne, die nicht auf einem Foto mitwirken. Das fängt schon ganz einfach damit an, dass ich unter einem Baum hindurch gehe und es brummt leise in der Luft. Da steht ein Baum in voller Blüte und Abertausende von Bienen schwirren umher, sammeln den Nektar und lassen dabei die Luft sanft erzittern. Oder der Unterschied, wenn man nach Tagen von der fast stillen Hochfläche der High Sierra wieder absteigt und in den ersten Wald eintaucht. Wenn plötzlich Hunderte Vogelstimmen durch den Wald schallen und der ganze Klangkörper wieder nachhallt. Oder das leise Knacken der Zapfen, wenn sie nach einer kühlen Nacht sich in der ersten intensiven Sonne wieder ausdehnen, sich öffnen. Und später am Tag dann auch die Rinde an den Stämmen, die sich unter dem Zustrom des Wassers aus den Wurzeln ins Blätterwerk ausdehnt.
Auch kaum mit Worten zu beschreiben ist der Duft, wenn die Sonne den Boden erwärmt und die Blüten ihre Kelche öffnen. Die kleinen Dampffahnen an den sonnenbeschienenen Stämmen im dichten Wald, wenn die Feuchtigkeit am Stamm verdampft und sogleich wieder in der kalten Luft des Waldschattens kondensiert. Das unterschiedliche Gluckern und Glucksen der Bäche und Rinnsale, das Rauschen der großen Flüsse oder auch der Baumwipfel, wenn der Wind durch sie hindurch pfeift. Auch auf keinem Foto zu sehen ist das Knirschen, Schmatzen und Rascheln, dass die unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten unter den Schuhen erzeugen. Keine nach zerbrochenen Tonscherben klingende Vulkangesteine oder das fast lautlose Laufen über weichen Waldboden kann man so einfangen. Auch die Grillen und Zikaden, die den Weg begleiten, bleiben unerkannt – die müsst ihr euch dazu denken, wenn ich ein Foto von einem Wiesenpfad zeige.
Unheimlich das Knacken und Knirschen in den abgebrannten Wäldern, in denen der Wind an den zerborstenen und verbrannten Stämmen zerrt und nach und nach sie alle umwerfen wird. Und bisweilen sehr störend der Klang der Zivilisation, wenn lautstark ein Highway oder eine Eisenbahnstrecke die Wilderness durchschneidet. Aber auf der anderen Seite auch wieder willkommen, denn sie sind oft genug in den letzten Monaten auch ein Zeichen dafür gewesen, dass es jetzt eine Gelegenheit geben wird, Lebensmittel nachzukaufen, Wäsche zu waschen oder einfach mal wieder eine richtig fette Mahlzeit zu bekommen.
All das kann ich nur schlecht in Worte fassen. Wer es genauer wissen will, dem rufe ich zu: Mache dich auf den Weg und du wirst es selbst erleben!
Was selbstverständlich scheint und es doch gar nicht unbedingt ist
Einige der Dinge, die am Anfang des PCT sehr erwähnenswert waren, sind ja inzwischen so selbstverständlich, dass ich nichts mehr dazu sage. Das bedeutet nicht, dass sie nicht noch immer wichtig sind.
Eine Sache ist die tägliche Wasserration, die natürlich nach wie vor wichtig ist. Und es gibt beileibe kein fließend Wasser aus dem Wasserhahn hier oben in Oregon, bloß weil es keine Wüste mehr ist wie in Südkalifornien. Aber es ist eben etwas „Normales“ geworden, sich den Rucksack voll zu packen mit Wasser, wenn absehbar die Distanz zur nächsten Wasserstelle groß wird.
Die Trailmagic, die guten Seelen entlang des Weges, sie sind auch....nein, selbstverständlich sind sie keinesfalls geworden. Aber doch etwas, woran man sich gewöhnen konnte, gewöhnt hat. Diese Momente der Großzügigkeit sind einfach etwas Besonderes, dass nicht "selbstverstänlich" werden darf.
Etwas anderes bleibt auch "nicht selbstverständlich": Nachtplätze finden ist bei weitem nicht so einfach, wie man denkt. Denn nichts schlimmer wie irgendwie schräg am Hang zu schlafen und im Schlaf von der Isoliermatte zu rutschen. Oder aber der Boden ist so mit Wurzeln oder Felsen durchsetzt, dass der empfindliche Zeltboden des Ultraleicht-Zeltes kaputt gehen würde. Und natürlich wäscht man sich jeden Morgen (und Abend) so gut es geht, putzt die Zähne und versucht halbwegs ordentlich auszusehen.
Essenmachen ist sowieso ein tägliches Ritual, das auch so selbstverständlich wird und doch irgendwie immer anders ist. Im Frühjahr war ich um die Wärme der Flamme und des Essens oft froh. Vor allem über der Schneerestgrenze im Randgebirge der Mojave-Wüste, wo es echt manchmal richtig kalt war. An stürmischen Tagen ware es schon auch mal schwierig, überhaupt etwas heiß zu bekommen. Und überhaupt: immer ausreichend Gas für den Brenner zu bekommen war nicht immer leicht.
Aber das sind die Dinge, die man so oft macht, dass sie am Ende scheinbar nicht mehr erwähnenswert sind. Und doch sind sie Teil des Abenteuers.
16. August 2022 - Am White Pass und damit etwa 1/3 des Weges durch Washington
Nach der einen Nacht in Trout Lake ging es am 14.8. vorbei an dem mächtigen Mt. Adams. Nach einem schönen Nachtplatz zu Füsse des Potato Hill mit direktem Blick auf den gewaltigen Gebirgsstock des Mt. Adams ging es dann weiter zum Gebirgskomplex des Gilbert Peak und dem 2.400 m hohen Pass, der dort zu überschreiten war. Am 16. August ging es dann weiter zum 1370 m hoch gelegenen White Pass, wo es ein richtig gutes Frühstück gab. Ansonsten ist der Skiort im Sommer eher nicht mit Charme gesegnet. Aber ich konnte wenigstens meine Powerbank laden und über das WLAN wieder ins Internet. In den nächsten Tagen wird es fast immer eine Kammlinie entlang gehen mit gewiss immer wieder schönen Ausblicken auf den Mt Rainier. Kammlinie bedeutet jedoch nicht, dass es nicht auch viele Höhenmeter gibt. Aber so lange das Wetter so angenehm warm, aber nicht zu heiß ist, macht das Wandern richtig Spaß.
Über die letzten Monate habe ich immer wieder neue Konstellationen von Wanderpaaren oder kleinen Gruppen gesehen. Meistens finden sich in etwa gleich leistungsstarke Menschen zusammen. Einige suchen auch den Schutz der Gruppe und andere sie einfach gesellig. Wer jedoch nicht von Anfang an als Paar losgelaufen ist, wird im Laufe der Wochen immer wieder mit neuen Wanderpartnern unterwegs sein. Sei es, dass einer noch einen Zeroday mehr anhängen will, dass man doch nicht die gleiche Schrittgeschwindigkeit hat, der eine lieber eine lange Pause macht und sich dafür danach mehr beeilt oder….es gibt viele Gründe - auch zwischenmenschliche – warum sich immer wieder neue Gruppen und Paare bilden. Uns allen gemein ist ja der Weg und sind es die Versorgungspunkte. Doch dazwischen zeigt sich immer wieder die Individualität der einzelnen PCT`ler.
15. August 2022 - Zwischen drei Vulkanbergen
Ich habe nur kurz mal Empfang - inzwischen stelle ich das Handy meist auf Flugmodus, um den Akku zu schonen. Ich muss eh mit meinem Vorrat an elektrischer Energie haushalten, denn inzwischen braucht man u.a. wieder Stirnlampe. Auch mein InReach muß funktionieren und natürlich die Kameras. Das Solarladegerät habe ich voraus geschickt, denn innerhalb des dichten Waldes bringt es nicht mehr viel an Ladekapazität - die Powerbank muß "bis zur nächsten Steckdose" ausreichen.
Aber nun doch kurz ein wenig meiner Begeisterung für Euch: Nach endlosen Tagen durch oft völlig verbrannte Waldflächen tauche ich hier ein in einen satt-grünen Spätsommer-Urwald, der uns reichlich mit Waldbeeren beschenkt, Schatten spendet, uns mit kleinen Bächen die Wassernot der ersten Monate vergessen lässt und auf den Kämmen immer wieder mit fantastischen Ausblicken aufwartet. Gleich drei hohe Vulkanberge beherrschen den Horizont: Mt Adams (3743 m), der gletscherbedeckte Mt Rainier (mit 4392 m höchster Berg von Washington) und Mt St. Helens, der nach seinem Ausbruch 1982 nur noch 2539 m hoch. Egal, wo man aufsteigt, begleitet einen der Ausblick auf diese mächtigen Solitäre. Es ist traumhaft schön!
13. August 2022 - Etliche Höhenmeter und Trout Lake
Die knapp 500 Meilen durch Washington haben, bezogen auf die Wegstrecke, die meisten Höhenmeter. Hier verläuft das Küstengebirge nicht parallel zur Küste sondern eher etwas quer. Dadurch gibt es unwahrscheinlich viele Anstiege und Täler, die gequert werden müssen. Vor unserem einen Zeroday in Trout Lake habe ich zwei Mal knapp 35 km und 1.500 Höhenmeter Anstieg gehabt. Zum Glück kann ich es wieder laufen. Auch der Trailhunger ist wieder zurück – mein Appetit ist kaum zu bremsen.
Zum Glück gibt es in diesem sehr trockenen Sommer wohl auch nicht so viele Moskitos wie üblich - dennoch, diese Insekten bräuchte es gar nicht. Vor allem auch deswegen, weil an meinem teuren Big Agnes Fly Creek 2 Zelt der Reißverschluß nicht mehr zugeht. Das sollte nach so wenig Nutzung eigentlich nicht auftreten, denn ich habe bei weitem nicht immer das Aussenzelt genutzt und auch das Innenzelt ist nach üblichen Maßstäben noch fast neu. Mal sehen, was die Firma Big Agnes dazu sagt.
Die 2222 Meilen - Markierung ist inzwischen auch passiert.
Bleiben also noch 400 Meilen (650 km) bis zum Ziel :-)
In Trout Lake, das wir über einen Shuttledienst erreicht haben, (sonst würde der Ort viel zu weit abseits des PCT liegen) übernachten wir auf einem schönen Campground. Immer wieder ist es erstaunlich, wie Hiker-freundlich die Menschen sind!
Meine neuen Schuhe lagen wie erhofft beim Postamt zur Abholung bereit. Es werden voraussichtlich die letzten Schuhe sein, die ich durchlaufen werde. Die alten sind in die Hikerbox gewandert für jemanden, dessen Schuhe noch stärker dem Verfall anheim gefallen ist.
Im General Store gab es ein ordentliches Resupply und die Wäsche ist auch wieder mal gewaschen worden. Abends gab es dann noch leckere Steaks vom Grill und selbstgemachten Nudelsalat - rundum satt und zufrieden!
Challenges
Dass die Wanderstrecken auf dem PCT nicht immer so abwechslungsreich und berauschend sind, erkennt man auch daran, dass es diverse Challenges gibt. Von einer hatte ich ja schon vor Tehachapi erzählt: Man zieht sich verrückte Kleidung an und läuft damit eine Woche lang herum.
Inzwischen weiß ich, dass es noch viele weitere solche „Herausforderungen“ gibt. Eine häufige PCT-Challenge ist, sich an einem Versorgungpunkt den Rucksack voll zu machen mit McDonald-Burgern und dann zum Beispiel 100 Meilen zu gehen, ohne etwas anderes zu essen. Nach zwei, drei Tagen durchaus gefährlich, denn man hat ja keinen Kühlschrank dabei.
Eine ähnliche Challenge kann man natürlich mit vielen anderen Lebensmitteln machen – zum Beispiel die „Seiad Café Pancake Challenge“, bei der man 5 große Eierpfannkuchen binnen 2 Stunden essen muß. Klingt harmlos, ist aber bei einem Gesamtgewicht von 4 kg (!!) echt nur was für Vielfraße.
Eine andere Challenge ist, dass man sich an einer Hand zusammenbindet und für Tage alles immer zusammen macht (ich mag nicht dran denken, wie das mit dem Toilettengang funktionieren soll). Eine herausfordernde Challenge ist gewiss die 50-Mile Challenge, denn das sind immerhin 80 km an einem Tag – meist fast die ganzen 24 Stunden lang.
Eine der ekligsten Challenges ist gewiss die, bei der man sich eine Woche (oder zwei, drei) lang nicht wäscht. Das reduziert die Chance auf einen Hitch (per Anhalter fahren) gegen Null, denn am Ende der Challenge dürfte selbst ein Iltis Reißaus nehmen.
Natürlich gibt es auch die zahlreichen Versuche, irgendwelche Höchstleistungen zu unterbieten. Die Oregon Challenge ist der Versuch, die 430 Meilen zwischen Kalifornien und Washington in zwei Wochen zu machen. Das sind 50 km jeden Tag – zwei Wochen lang ohne Pause. Doch was bringt einem das? Von der Natur bekommt man nichts mehr mit, wenn man von Dämmerung zu Dämmerung nur durch die Landschaft stürmt, um einen Rekord aufzustellen.
Einen Rekordversuche möchte ich aber doch noch erwähnen, denn ich traf in der Timberline Lodge denjenigen, der ihn dieses Jahr macht: alle drei wesentlichen Fernwanderwege (Triple Crown) in Nordamerika in einem Jahr: Den Pacific Crest Trail, den Continental Divide Trail und den Appalachian Trail. Das sind 8.000 Meilen (12.800 km) in einem Jahr. Das bedeutet unter anderem neben der langen Strecke, dass man im Winter startet und im Winter wieder ankommt. Quadzilla ist eigentlich Feuerwehrmann und bekämpft die durch die Klimaerwärmung immer stärker zunehmenden Waldbrände. Doch 2022 hat er sich vorgenommen, die "Calendar Year Triple Crown Challenge" zu meistern. Hier ist ein Link zu seinem Einführungsvideo: Quadzilla 2022
9. August - die ersten Meilen in Washington
Die Feuerumfahrung im Norden von Oregon hat hier in Cascade Locks viele Menschen zusammengebracht, die ich zum Teil seit Wochen nicht mehr gesehen habe. Allen aber, ob jung oder alt, sieht man die Strapazen dieser langen Wanderung an. Fernwandern ist eben auch Hochleistungs- und Ausdauersport. So, wie mir die Kleidung am Leib schlackert, geht es allen anderen auch. Die letzten Reserven im Körper sind aufgebraucht und wir müssen alle jeden Tag darauf Acht haben, diese Grenze nicht soweit zu überschreiten, dass wir Schaden nehmen.
So mancher mußte auch aufgeben wegen Knieproblemen, Entzündungen an der Achillessehne oder wegen den Folgen eines Sturzes. Auch das gehört zur Vorbereitung auf so ein Abenteuer: Was, wenn etwas schief geht? Wenn das Ziel in unerreichbare Ferne rückt? Vor allem so kurz vor dem Ziel, wenn man schon drei, vier Monate hinter sich hat und der Northern Terminus in scheinbar greifbare Nähe rückt. Die mentale Vorbereitung für diesen Fall ist wichtig: Rechtzeitig den Mut zu haben, die Wanderung abzubrechen.
Während meines Coronatiefs dachte ich ans Aufgeben, wollte nur noch nach Hause. In mein Zuhause, in mein Bett. Auch wenn so viele freundliche Menschen um einen herum sind (und es sind wirklich unglaublich viele freundliche Menschen, denen ich bis hierher begegnet bin), so ist man doch als Solowanderer einsam in der Fremde.
Doch mit dem Gesundwerden kam die Lust wieder zurück und auch der Ehrgeiz. Ohne den geht es natürlich auch nicht. Aber eben gesunder Ehrgeiz mit Respekt vor den eigenen Grenzen, mental und körperlich.
Leider führt der Andrang an Hikern hier dazu, dass diesseits des Columbia-Rivers und auf der anderen Seite die kleinen Supermärkte heillos ausverkauft sind. Es werden Versorgungspakete voraus geschickt zu den wenigen Poststationen, die es in Washington in der Nähe des Pacific Crest Trails gibt – denn die Hitze zwingt uns dazu, wieder mal mehr Wasser mit uns herum zu schleppen wie Kalorien.
Am frühen 9. August sind Slowy und ich dann wieder auf den Trail gestartet. Die Nacht auf dem Campground nahe der Straße und Eisenbahn und mit einem Gewitterschauer war alles andere als ruhig und ich freue mich auf die kommenden Nächte wieder in der Wildnis.
Noch rund 520 Meilen bis zum Ziel!
Nur nebenbei: Erst wenn man so lange gewandert ist, kann man das „sich lang machen“ am Abend so richtig genießen. Wenn der Rucksack nicht mehr die Wirbelsäule und Kniegelenke staucht und die Schwerkraft nur noch dafür sorgt, dass man nicht davon schwebt 😊
8. August - Mt. Hood und Eagle Creek Trail
Neben dem gewaltigen Mount Shasta habe ich ja schon einige Vulkanberge auf dieser Fernwanderung gesehen. Der Mt. Hood ist aber dennoch einer der beeindruckendsten Stratovulkanberge des PCT. Man geht direkt an seinem Fuß vorbei (leider gibt es hier einen riesigen Winter- und auch Sommerski-Betrieb). Lava, Basalt und zerriebener Tuff bilden die Unterlage für den Trail.
Einige Kilometer weiter kann man einen Side-Trail nutzen, um hinunter zum Colorado-River zu kommen. Was sage ich "kann" - nein, man muss es einfach tun. Denn der 22 km lange Eagle Creek Trail gehört gewiss zu den Highlights des PCT. Der Fluß hat sich tief in eine Asche und Lavagesteinschlucht hinein gegraben. Man kann es regelrecht sehen, wie instabil und leicht erodierbar der vulkanische Grund ist. Leider auch manche Teile des Weges, der stellenweise mit einem Stahlseil gesichert ist. Wer allerdings bereits 3000 km gewandert ist, den schockt das nicht mehr groß.
Das Highlight des Canyon sind die acht großen Wasserfälle. Allen voran der Tunnel Falls Wasserfall, der recht ideenlos benannt ist: der Wanderweg geht wie in manchen Calderas von Madeira durch einen Tunnel hinter dem Wasserfall entlang. Tunnel Falls eben!
Unseren Nachtplatz haben wir im Campground in Cascade Falls unmittelbar an der Bridge of the Gods (566 m Länge, 1926 eröffnet) über den Columbia River (Der Columbia River ist 1953 Kilometer lang. Er ist der wasserreichste aller nordamerikanischen Flüsse, die in den Pazifischen Ozean münden. Seine Quelle liegt in British Columbia (dahin kommst ich ja noch). Er ist einer von nur drei Flüssen, die das Küstengebirgen (Cascades, Rocky Mountains) entlang der nordamerikanischen Küste durchbrechen und stellt damit eine Verbindung aus dem Inneren des Kontinents zur Küste her. Der rund 80 km lange Flussabschnitt durch die Kaskadenkette wird Columbia River Gorge genannt.)
7. August - emdich wieder auf dem Trail und fit
Nach einem "Fehlstart" und einem nochmaligen Gesundungsaufenthalt in Brent bin ich nun wieder auf dem Trail. Die letzten drei Tage wurden die Tagesstrecken immer größer. Slowy merkte an, dass es mir wohl wieder besser geht...und ich ihm davon laufe.
Es tut so gut, wieder essen zu können. Der Trail ist sowieso ein Fest des Heißhungers und dessen Befriedigung. Aber wenn man anderthalb Wochen so drinnen hängt und alles nur noch seltsamen schmeckt und die Porzellanaustellung nicht mehr in möglichst geringer Nähe sein muß....das ist so befreiend.
Nach Ashland, wo ich die erste Unterbrechung hatte und dann den wenigen Wandertagen Richtung Craterlake haben wir alle einen großen Sprung gemacht. Wegen der Waldbrände ist der PCT in diesem Gebiet gesperrt. Der Restart begann am 5. August am Timothy Lake. Von dem schönen See aus ging es zum Salmonriver. Bald dominierte dann der vierthöchste Berg des Cascade-Gebirges die Aussicht: Mt. Hood.
3425 m ragt der beeindruckende Stratovulkan in den blauen Himmel und lenkt den Blick unweigerlich auf sich. An seinem sandingen Fuß führt der PCT vorüber, während im Gipfelbereich des Vulkans noch Skibetrieb ist. Was ein Trubel an der Talstation!!
Was auch sehr angenehm ist: hier auf dem PCT in anderthalb bis knapp 2000 m Höhe ist es wieder deutlich erträglicher wie in den Städten tief unten in den großen Tälern.
Inzwischen bin ich wieder guter Hoffnung, dass wir den restlichen Weg noch in der zur Verfügung stehenden Zeit schaffen werden. Mir geht es von Tag zu Tag wieder besser und die Trailroutine stellt sich wieder ein.
02. August - 22 km und die Erkenntis: fit ist anders
Etliche Kilometer des Trails haben wir in den letzten drei Tagen übersprungen. Wegen eines großen Waldbrandes, der noch nicht unter Kontrolle ist, sind eigentlich alle Hiker gezwungen, den Bereich großräumig zu umgehen.
Inzwischen bin ich in Chemult. Zum Crater Lake hatte ich nach Ashland wieder den Trail unter die Füßen genommen. Aber nach einer Nacht mit heftigsten Sturzfluten mit vielen weggeschwemmten Zelten haben Slowy und ich nach einer Mitfahrgelegenheit gesucht. An einer Tankstelle sprachen wir mehrere Leute an, ob sie uns wohl mitnehmen würden. Aber, eher ungewöhnlich, es wollte sich keiner dazu bereit erklären.
Als eine junge Frau in einem offenen BMW-Caprio vorfuhr dachte ich: deutsches Auto, Caprio - klasse, die spreche ich an.
Sie war zunächst sehr skeptisch und wollte zuerst wissen, wer ich wäre. Zusätzlich zu meiner gewiss immer noch holprigen Erklärung in English ließ ich sie meinen QR-Code scannen, um auf meine Webseite zu kommen. Am Ende fragte sie noch den Tankwart, was er davon hielte - der bescheinigte uns aber völlige Harmlosigkeit. Also ging es knapp anderthalb Stunden bis nach Chemult, wo wir für drei Tage auf dem Campingplatz sein werden. Mein Magen rebelliert noch immer heftig und die Nachwirkungen von Corona sind noch arg.
Unglaublich und immer wieder schön: der Trail-Telegraf funktioniert bestens und Gesichter, die ich 500 km zuvor das letzte Mal gesehen habe, kommen hier vorbei und begrüßen mich: "Hi Happy, how are you?" und berichten, dass sie gehört haben, dass ich Corona hatte.
Allen steht langsam die körperliche und auch seelische Erschöpfung ins Gesicht geschrieben. Zwei Drittel des Weges ist nun geschafft und es geht lansgam an die eisernen Reserven. Aber - ich befinde mich eindeutig auf dem Weg der Besserung. Kein Husten mehr, keine Atemnot und kein schwammiges Gefühl mehr in den Beinen. Allerdings dafür die Folgen von zwei Tagen Magen-Darm-Schwierigkeiten.
Ich werde auch nicht auf Teufel heraus versuchen, den Trail zu vollenden. Ich möchte weder Folgen wie Long Covid noch andere Schäden davon tragen, nur um am Ende sagen zu können: Ich habe es geschafft. Dazu habe ich nun genug Erfahrungen von den vielen Fernwanderungen, die ich bereits unternommen habe, um diesen Fehler nicht zu machen. Ehrgeiz ist gut, Mut ist gut - aber wie die Angst der Gegenspieler zum Mut ist, sollte der Verstand der Ausgleich sein zu zu viel Ehrgeiz.