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Wandertagebuch PCT - Juni 2022
30. Juni - letzter Tag des dritten Monats on Tour
Die Zivilisation ist nun wieder viel näher bei uns dran. Zahlreiche Forststrassen durchziehen die Wälder und auch die quer durch das Gebirge führenden Strassen nehmen zu. Allerdings sind die täglichen Höhenmeter keinesfalls weniger geworden, denn nach wie vor geht es viel Auf und Ab - manchmal eben nicht nur eine Steigung, sondern dafür dreimal, jedoch kürzer. Obwohl es tagsüber schon sehr warm werden kann und die Höhe eher bei maximal 2.000 m liegt, finden sich überall noch Altschneefelder. Probleme machen sie aber keine mehr - notfalls kann man an ihrem Rand entlang.
Die Truppe mit Lydia, Sophia, Patrick und mir ist inzwischen eine neue, schöne Trailfamily. Da sie alle drei fast meine Kinder sein könnten, freue ich mich über ihre neue Namenskreation doch sehr: "Taff Mama". Doch es ist nicht nur, dass ich sie gelegentlich motiviere, wenn der Rucksack drückt, die Füße anfangen weh zu tun oder die Puste einem droht auszugehen. Es ist das sich gegenseitig unterstützen und immer wieder weitertragen durch den Team-Spirit, was allen hilft, nun täglich an die 35-38 km und gelegentlich an die 2.000 Höhenmeter zu laufen.
War der Hunger in der Sierra schon groß, hier im moderateren Gelände, wo man "Meilen fressen kann", ist der Kalorienbedarf noch größer geworden. So hat jeder kleine Campsite-Laden entlang des Weges die Chance, ordentliche Portionen an Essbarem an uns abzusetzen :-).
Heute habe ich wieder mal ein wenig Trail-Magic erlebt. Allerdings "homemade". Bin zu einem kleinen Store am Bucks Lake runter und habe Eis für alle gekauft. Die freundliche Dame, bei der ich mitfahren durfte, hat mich dann mit dem Eis auch wieder zurück zum Trail gefahren. Was eine Freude für alle!
29. Juni - dichte Wälder, tiefe Schluchten (Meile 1247)
Gesehen habe ich ihn nicht, aber der Pacific Crest Trail hat den recht großen Stausee "Little Grass Valley" passiert. Von Meile 1225 bis Meile 1247 haben uns heute die Füße durch dichten Wald getragen. Die Felsberge liegen eindeutig hinter uns. Nach 37 km Wanderstrecke freut sich der Körper auf das Hinlegen. Vorher noch die verbrauchten Kalorien auffüllen und dann - wie hieß das noch in Neuseeland: Hiker Evening! Was so viel bedeutet wie: geschlafen wird, wenn man einschlafen kann, nicht erst, wenn es dunkel wird!
Morgen geht es auf einer Brücke über den Middle Fork Feather River und durch seinen Canyon. Mal sehen, was der Tag bringen wird!
28. Juni - unterwegs Richtung Lake Almanor (1.225 Meilen und weiter)
So richtig viel gibt es nicht zu berichten. Ich laufe Richtung Mt. Fillmore und Gibsonville Ridge. Ausserdem ist die Mobilfunkverbindung überaus schlecht. Hier im Hinterland ist meistens gar kein Empfang möglich. Tagelang kann es passieren, dass keine Nachricht reinkommt oder rausgeht. Deswegen ist das InReach so wertvoll - selbst wenn man in einer Gruppe wandert und meint, so wäre immer jemand da, der Hilfe holen kann. Aber ohne Mobilfunk könnte das bedeuten, dass es zwei Tage dauert bis zum nächsten Punkt, von dem aus man Hilfe rufen kann.
27. Juni - Zwischenstop in Sierra City
40 km Wanderstrecke (1.200 Höhenmeter, 10 Stunden Wandern) haben wir gestern runtergerissen - es lief einfach gut bei bestem Wetter. Tatsächlich ist es so warm geworden, dass ich heute die dicksten Wintersachen nach Canada zu meiner Freundin sende. Der Sommer steht vor der Türe, was wir heute hier in Sierra City mächtig zu spüren bekommen haben.
Gestern Abend kamen wir Vier durch die lange Wanderstrecke recht spät am Campground von Sierra City an und es war alles schon belegt. Allerdings sind die Standflächen der einzelnen Plätze sehr großzügig. So fragte ich jemanden, ob wir neben seinem Wohnmobil....nein, der erste wollte es nicht. Aber dann fragte ich ein älteres Ehepaar und die waren gerne bereit dazu, uns den etwas oberhalb gelegenen Bereich ihres Platzes zu überlassen: "Da oben gibt es ein paar ebene Stellen, da dürft ihr gerne die Zelte aufschlagen".
Ein paar Minuten später kam die Frage, ob wir Hunger hätten. Was soll ich sagen: Hiker haben IMMER Hunger.
Als wir die Zelte aufgebaut hatten, gingen wir zu dem Ehepaar. Dort standen inzwischen Bier, Nudelsalat, Würste, Käse, Salat und allerlei Leckereien bereit - wieder einmal traumhafte Trail Magic von Menschen, die gerne geben, weil sie so viel dafür zurückbekommen an Dankbarkeit und Geschichten.
Patrick und ich haben inzwischen den UPS-Menschen abgefangen. In diesen winzigen Flecken sind die Post-Office nicht jeden Tag geöffnet und die Frau vom kleinen Store hätte uns heute die dringend erwarteten Pakete nicht aushändigen dürfen. So aber verfüge ich nun wieder über eine neue Powerbank. Dafür mussten wir aber auch bis fast 17 Uhr warten. Deswegen war die Wanderstrecke heute nur noch ein "raus aus dem Trubel" und ein wenig hinauf auf dem PCT, um eine ruhige Nacht zu haben.
26. Juni - Wenn es feucht wird
Dass irgendwann auch dieses Wetter kommen würde, war klar. Dennoch ist es ähnlich wie in der Wüste zu Beginn der Wanderung: es muß doch nicht gleich so konzentriert und im Übermaß kommen.
Die Nacht über hat es geregnet und inzwischen ist alles irgendwie feucht und klamm. Dazu ist es immer noch kalt, die letzten Schneereste finden sich noch an vielen Stellen. Das Grass am Wegrand ist nass, die Bäche sind nass, die Äste der Büsche sind nass, wenn man an ihnen vorbei streicht. Trocknen durch Tragen funktioniert eben nur, wenn es auch mal trocken ist.
Aber man wäre kein Thruhiker, wenn einen dieses Wetter ernsthaft stoppen könnte. Also raus aus dem Zelt und erst einmal loswandern, um warm zu bekommen!
Die erste Umgehung eines Feuers gibt es bereits. Die Feuersaison beginnt gerade erst und das Feuer ist auch noch weit entfernt vom PCT. Dennoch wird dringend eine Umfahrung des Abschnitts angeraten. Gefühlt passt diese Nachricht nicht gerade zum lokalen Wetter, aber....ich werde das auf jeden Fall machen. Tagelang im beissenden Rauch des fernen Feuers wandern ist auch kein Vergnügen - selbst dann nicht, wenn man dafür nicht von Mücken geplagt wird.
25. Juni – Donner Lake und weiter (Tag 81, 1162 Meilen)
Es ist ein Unwettertag. Sturm, Regen, Gewitter, dann wieder kurze schwül-warme Sonnenphasen, auf die dann wieder heftiger Regen folgt.
Ein guter Tag also, um ein Resupply zu machen. Ich brauche unbedingt einen neuen Löffel (ohne geht einfach nicht! Gabeln sind wie undichte Windeln: sie halten die Suppe nicht bis zum Mund) und Lydia Socken und eine neue Hose. Die neuen Socken hat sie sich etwa 300 km zu weit nördlich schicken lassen – manchmal geht die Planung halt nicht auf. Aber auch meine Socken zeigen Auflösungserscheinungen. Und eine mühselig geflickte Hose wird auf die nächsten 100 Meilen auch eher ihren Geist aufgeben als dass sie durchhält. Man muß die Gelegenheiten nutzen, wo sie sich ergeben. Was täglich 8-10 Stunden belastet wird, verschleißt halt auch schneller wie gewohnt.
Auf diese Weise bleibt auch sonst so eine ganze Menge Geld entlang des Weges liegen, denn meist muß man sich in winzigen Flecken versorgen. Das da die Preise nicht wie im Supermarkt sind, kann man nachvollziehen.
Versucht war ich, ein neues T-Shirt zu kaufen. Die Flecken in meinem gehen einfach nicht mehr raus. Aber das neue würde ich auch schnell wieder dreckig machen.
So blieben wir einige Stunden im Store und habe uns neben dem Einkauf auch noch gleich satt gegessen. Ich war auch noch bei der Schaumstoff-Abteilung, denn ich brauche etwas für die Schultergurte. Ich habe ziemlich abgenommen und so schützt kaum noch etwas die Knochen vor dem Rucksackgurt. Gar nicht angenehm auf Dauer!
Es regnete sogar, als ich wieder aufbrach und der ungewohnten Hektik dieses Touristenpunktes entfloh. Der Durchgang unter der Interstate hindurch kurz hinterm Donner-Pass wurde dann auch sehr nass. Aber nun habe ich einen ganz netten Platz gefunden und befinde mich auf dem Weg nach Sierra City.
23. und 24. Juni - Unterwegs entlang des Lake Tahoe
So ein Mist, mir ist meine Powerbank kaputt gegangen. Das bedeutet Stromknappheit und die Vorgabe, so weit wie möglich Strom zu sparen. Denn mein kleines Solarpanel funktioniert zwar gut, doch sind etwa 10 W eben doch nicht viel für Handy, Kamera, InReach und gelegentlich Lampe. Ich bin also gut unterwegs, werde mich jedoch erst wieder richtig melden können, wenn ich eine neue Powerbank habe. Grüße an Alle da draussen von den Twin Peaks am Lake Tahoe!
Ach ja: Das Wetter war gestern absolut bescheiden. Gewitter und Regen den ganzen Tag mit viel Wind. Ausserdem könnte man das Gefühl bekommen, dass hier mehr Schneereste liegen wie in der High Sierra - bei so einem Suddelwetter echt rutschig und gefährlich. Heute dagegen ist das Wetter wieder sonnig und blauer Himmel. Nächstes Ziel ist der Donner Lake. Leider ist in den winzigen Flecken keine Powerbank zu bekommen - meist gibt es nicht viel mehr als die Grundversorgung.
21.-22. Juni - Pausentage in Lage Tahoe
Es wurde wieder einmal Zeit, dass der Rucksack mit neuen Lebensmitteln gefüllt wird und vor allem, weil auch neue Schuhe notwendig wurden. Zwei lustige Tage gemeinsam mit drei anderen deutschen PCT-Wanderern in Lake Tahoe und Telefonate mit den Lieben zu Hause. Das besondere Jahr 2022 wird noch besonderer: ich werde im Herbst Oma! :-)
19. Juni - 20. Juni - Richtung Lake Tahoe und dem nächsten Re-Supply
Die High Sierra ist nun eindeutig hinter mir. Die Berge verändern sich und die Landschaft wird wieder sanfter. Allerdings ist es jetzt fast kälter wie oben auf über 3.000 m Höhe. Habe meine Trinkflasche gelegentlich auch als Wärmflasche nutzen müssen, um nachts nicht zu kalte Füße zu bekommen. Auch die Tage sind immer noch ziemlich kalt, denn meistens weht ein ordentlicher Sturm.
Die junge Frau, die sich den Fuß gebrochen hatte, konnte nicht ausgeflogen werden. Zu heftig der Wind, zu abgelegen der Unglücksort. Schlußendlich wurde sie dann per Pferd aus der Wildnis gerettet. Ein Fortbewegungsmittel, dass auch die Freiwilligen den PCTA nutzen, wenn sie tagelang im Hinterland unterwegs sind, um den Pacific Crest Trail instand zu setzen (ein paar der Baumstämme hätten gerne schon durchgesägt sein können, aber Corona hat da vieles durcheinander gebracht)
18. Juni - Richtung Twin Lakes
Eine (traurige) Geschichte vom Rand des Trails:
Es gab immer wieder Schneefall den ganzen Tag über, richtig kalte Temperaturen und Sturm. Ich hatte mir überlegt, am Lost Lake Wasser nachzutanken, was noch einen ordentlichen Anstieg bedeutete. Ich war noch unschlüssig, ob ich noch hinaufsteigen sollte oder nicht und stellte erst einmal meinen Rucksack ab.
Die Musik aus einem Pickup am Ufer gegenüber lockte mich an. Ich ließ den Rucksack stehen, wollte ein paar schöne Bilder machen und ging schließlich hinüber. Auch das warme Lagerfeuer lockte, denn mir war den ganzen Tag über schon kalt. So begrüßte ich die beiden jungen Leute einfach mit einem „Hello, ich bin Happy und wandere den PCT entlang!“
Also…die Hunde waren etwas schneller bei der Begrüssung wie die Beiden, die mich erst einmal verdutzt anschauten. Doch ganz schnell war die Einladung ausgesprochen, dass ich mich zu Ihnen setzen sollte und ob ich was zu Trinken mag. Schnell kam es zu einem lebhaften Austausch. Was ich da auf dem PCT mache, über die Spendenaktion und woher ich komme.
Schließlich fragten Sie mich, ob ich Hunger hätte und ich antwortete: „Ich habe immer Hunger!“
So wurde ich eingeladen zu Hot Dog und Beilagen. Während die Würste in der Pfanne schmurgelten wurden die beiden Hunde geknuddelt und die Unterhaltung ging weiter.
Irgendwann kam dann die Frage auf, warum das junge Paar denn bei einem so miserablen Wetter an diesem kleinen See Campen geht. Es war eh schon kalt und die Nacht würde wieder Temperaturen deutlich unter Null Grad bringen, also keine angenehmen Bedingungen.
Ja, und dann stellte sich heraus, dass die Beiden in Erinnerung an den Bruder des jungen Mannes hierhergekommen waren. Genau vor einem Jahr waren die beiden Brüder hier am See wandern. An einem Felsband ist der 18jähriger jüngere Bruder abgestürzt. Seine zerschmetterten Überreste konnten erst nach vier Tagen von einem Spezialkommando geborgen werden.
Für die Beiden hat der See nun eine besondere Bedeutung. Sie wollten versuchen, durch den Besuch des Sees genau ein Jahr nach dem Unglück diese Tragödie irgendwie zu verarbeiten. Für sie hat der See etwas Magisches an sich. Und selbst für mich hatte die Stimmung, das Licht und die Schönheit des Sees etwas Magisches.
So kam es, dass ich meinerseits erzählte, wie ich damit umgehe, wenn ein geliebter Mensch aus meinem Leben scheiden musste. Es war einfach ein Moment großer Gemeinsamkeit und die Sprachbarriere durch mein schlechtes English hörte auf zu existieren, denn wir wussten auch ohne die korrekten Worte, wovon mir sprachen.
„Du bist ein Engel, der uns geschickt wurde. Es ist so schön, dass du heute an diesem magischen Ort zu uns gekommen bist“ – wir waren alle drei sehr tief berührt und gerührt.
Schließlich aber tanzten wir sogar noch ein wenig zu der Musik und hatten noch einen wunderschönen Abend. Philosophierten über die Bedeutung von Momenten im Leben und dass Menschen uns nicht wirklich verlassen, so lange sie in unserer Erinnerung weiterleben. Dass man ja auch beispielsweise an Orte reisen kann, die der Verstorbene gerne noch erlebt und gesehen hätte. Und dass man immer dem Leben soweit wie möglich das Positive abgewinnen soll, auch wenn das Schicksal eben manchmal negative Erlebnisse bereithält.
Es war ein berührender, wunderschöner Trailmagic-Abend.
17. Juni - Ausrutscher und Trail-Magic
Während mehr als die Hälfte Europas unter einer Hitzewelle stöhnt ist es bei mir bitterlich kalt. So schön die Landschaft ist, aber....der Wind in dieser Höhe ist kalt und die Nächte sind bitterkalt.
Leider hat heute ein Stein unter mir nachgegeben. Auf dem Schneefeld daneben bin ich dann ausgerutscht und mit meiner Hüfte sehr heftig an einen Stein geknallt. Im ersten Moment dachte ich: "Das war es!"
Nach einem Snicker und einer Pause zum Erholen vom Schreck bin ich dann doch weiter gehumpelt. Keine 10 Minuten später treffe ich auf eine Gruppe junger Leute. Sie kümmern sich um eine junge Frau, die sich wohl sehr ernsthaft den Fuß verletzt hat.
Wegen des stürmischen Windes kann der herbei gerufene Rettungshubschrauber allerdings nicht landen und muß wieder abdrehen. Sie haben wohl dann ihr Nachtlager dort aufgeschlagen.
Auf meinem Weiterweg habe ich dann echte Trail-Magic erlebt. Da waren ein paar Leute, die boten heiße Hamburger mit einer dickem Fleischschicht, frischen Salat und Obst an. Was ein Traum! Vor allem, weil es seit Tagen so stürmisch ist hier oben auf +-3.000 m, dass eine warme Mahlzeit sehr gut tut.
Hoffe nun, dass meine Hüfte durchhält bis zum nächsten Zeroday. Tom hat zwei Tage in Tahoe Lake Süd gebucht, da will ich unterkommen. Er hat sichvor einigen Tagen einen Zeh gebrochen und will dort auch versuchen, dort "die Wunden" zu heilen.
Die letzten Tage war ich daher eher alleine unterwegs, was den Vorteil hatte, dass ich meinen eigenen Rhytmus gehen kann. Viele Verletzungen rühren daher, dass man zu schnell geht, um anderen zu folgen. Wenn dann der schwere Rucksack immer mehr drückt, sind die Beine nicht schnell genug, einen Stolperer auszugleichen. So aber war ich mit meinen Gedanken und Eindrücken alleine, konnte die Natur genießen und bei Rehen oder possierlichen Erdhörnchen auch mal stehen bleiben, um zu filmen.
16. Juni - traumhafter Weg und Kennedy Meadows North
Der gestrige Wandertag war eindeutig einer der schönsten. Die Landschaft hatte alles zu bieten zwischen Allgäu, High Sierra und der kargen Vulkanlandschaft Islands. Denn die Rockies können nicht immer verbergen, dass sie Kinder einer feurigen Geburt sind. Und so sind Aschefelder und Lavafelsen der stete Begleiter hinunter zur Strasse am Sonora-Pass. Bereits das erste Auto hat mich dann mitgenommen zur wenige Kilometer entfernten Kennedy Meadows North Station. Hier konnte ich Proviant auffüllen, duschen und richtig was "Gescheites" essen. Eine Nacht in einem bequemen Bett habe ich mir dann doch auch gegönnt.
Einen Zeroday wollte ich aber nicht einlegen und deswegen ging es nach dem Frühstück heute auch gleich wieder hinein in die Berge Richtung Tahoe Lake. Spätestens da brauche ich dringend neue Schuhe!
Noch etwas zur Jahreszeit: Es gab Jahre in der Vergangenheit, da waren Thruhiker gezwungen, die High Sierra zu überspringen und im Spätjahr diese Strecke nachzuholen. Dieses Jahr war es genau richtig. Das grandiose Wetter, das gerade Erwachen der Natur aus dem Winterschlaf, umso tiefer man wieder kam von den noch Schnee-bedeckten, der herrliche Kontrast zwischen dem Fels der Berge, den Schneefeldern und den blauen Augen der zum Teil noch eisbedeckten Seen - besser hätte es kaum sein können. Ich habe ein Riesenglück gehabt bis jetzt!
14. Juni - Kalte Nächte, kühle Tage
Heute habe ich den 1000 Meilen Marker passiert - Yuhuuu! Allerdings nach einer eiskalten, feuchten Nacht. Das Wetter ist nicht mehr, was es bis vor wenigen Tagen noch war. Ausserdem sind meine Füße ständig nass von den Bachquerungen. Ziemlich erfrischend, wenn man schon um 6 Uhr nach dem Aufstehen barfuß durch muß, denn meine Schuhe tendieren Richtung Auflösung. In Lake Tahoe brauche ich unbedingt wieder neue Schuhe - noch eine Woche, hoffentlich halten sie!
Hier im Hinterland bin ich nahezu immer ohne Empfang und habe nur Verbindung per Iridium Satelitten-Gerät. Aber das ist schon angenehm, wenn die zu Hause Gebliebenen wissen, dass es mir gut geht! Es ist nicht ganz billig, aber ich würde es jedem empfehlen - viele auf dem PCT haben wie ich das InReach am Rucksack. Nicht nur für die eigene Sicherheit (Notruf), sondern eben auch für die, die sich Sorgen um einen machen.
13. Juni - Mitten in der Sierra Richtung Sonora Pass
Neben dem Ausflug zum Yosemite-Park habe ich auch den Mono Lake "links" liegen gelassen. Der sehr interessante See ist schon alleine so groß, dass man locker eine Woche mit seiner Erkundung zubringen könnte. Als See ohne Abfluß konzentriert sich hier das aus dem Gebirge herausgeschwemmte Salz immer mehr, weswegen es wohl fantastische Salzskulpturen an seinen Ufern geben soll.
Ich habe die Nacht unter dem Benson Pass verbracht. Unglaublich viele Bach- und Flußquerungen tags zuvor und noch Nieselregen dazu. Irgendwann mußte ja auch mal so Wetter kommen. Doch auch wenn das klar war, die Verwöhnung der letzten 8 Wochen lässt einen schon Nieselregen als deutliche Verschlechterung empfinden :-)
Heute geht es wieder auf 3085 m und ich hoffe, dass die Verhältnisse so sind, dass auch bei dem schlechteren Wetter die Schneefelder gut zu überqueren sind.
Dannach sind es noch gut 2 Wandertage bis zum Sonora-Pass. Das ist der zweithöchste Strassenpass in Amerika mit 2933 m Höhe.
10. Juni - Wieder auf dem Trail Richtung Tuolumne Meadows und darüber hinaus
Den Trip nach Yosemite Park habe ich abgehakt. Ich brauche die Zeit, um weiter Richtung Norden zu kommen. Deswegen habe ich auch nur kurz Halt gemacht in Tuolumne Meadows.
8. Juni - Kurzabstecher nach Mammoth Lake
Dank eines kostenlosen Shuttles kann man vom PCT recht leicht nach Mammoth Lake gelangen. Und da Salty dort ein Zimmer hat, kann ich Verproviantierung und Duschen miteinander verbinden. Am späten Nachmittag bin ich dann schon wieder aus der Wintersport-Stadt zurück auf dem PCT und passiere den Horseshoe-Lake am Fuß des Mammoth Mountain. Hier gibt es zwei Bereiche, in denen alle Bäume tot sind. Der Berg zeigt hier seine nach wie vor vorhandene Aktivität als Vulkan. Immer wieder kam es in den letzten Jahrzehnten zu massiven CO2 (Kohlendioxyd) Ausbrüchen, die sogar Menschenleben gefordert haben, vor allem aber alle Pflanzen und Tiere im Umkreis getötet haben.
Ein paar Gedanken zu den letzten Tagen:
Im März 2020 rutschte ein 22-jähriger PCT Hiker auf einem schneebedeckten Eisfeld aus und stürzte zu Tode. Nicht, dass mir dieser Einzelfall durch den Kopf ging, wenn ich über die zum Teil sehr steilen Schneefelder gegangen bin. Doch vor und nach jedem der zahlreichen Pässe über 3.500 m gab es diese Schneefelder, bei denen man mit großer Konzentration einen Fuß vor den anderen setzen musste. Zusätzlich hilft der schwere Rucksack beim Ausgleichen nicht gerade, wenn doch einmal der Fuß rutscht. Meistens bin ich sehr früh mit der Tagesdämmerung aufgestanden. Dann ist der Schnee noch gefroren und die Tritte waren fest und zuverlässig. Zusätzlich wurde der Schnee am späten Vormittag so sulzig, dass man stellenweise sehr tief einbrach. Das kostet unglaublich Energie, die einem dann später am Tag fehlt. Nach dem John Muir Pass, den Salty wie meistens eher viel zu spät überquert hat, musste er nun zwei Erholungstage einlegen. Es ist ja nicht nur das steile Schneefeld unmittelbar an den Pässen, sondern es ging ja auch etliche Kilometer weiter durch Schnee im Evolution Valley. Was freute ich mich darüber, wenn der Schnee noch so verharscht war, dass ich mit meinen Micro-Spikes (Grödeln) auf der festen Oberfläche entlang marschieren konnte.
Der eine Nachtplatz oben auf dem Hochplateau in unmittelbarer Umgebung der höchsten Gipfel der Sierra Nevada war einfach nur….wie eine Übernachtung auf einem anderen Planeten. Nie zuvor hatte ich so einen Nachtplatz und hätte ich nicht tief und fest geschlafen, vermute ich, hätte ich auch einen nie zuvor geschauten klaren, tiefschwarzen Nachthimmel gesehen. Es gab schon viele Momente, bei denen ich in den letzten zwei Monaten gedacht habe: das ist jetzt ein besonderer Moment. Doch jeder Tag bringt ja neue Eindrücke und so verschwimmen diese „besonderen Momente“ langsam in der Erinnerung. Nur einige herausragende Erlebnisse bleiben fest haften. Dieser Nachtplatz gehört dazu.
Überhaupt ist die Fülle der Eindrücke schon fast erschlagend. Und es mag auf den Bildern und Filmen aussehen, als sei manche Wegstrecke eher langweilig oder ein Berg ähnelt dem anderen. Doch dann kommen ja die vielen kleinen Dinge entlang des Weges hinzu. Die Düfte, Geräusche, der Wind, die Sonne, Tiere, Gespräche….all die kleinen Details, die jedem Kilometer des Weges ihren eigenen Charakter aufprägen. Selbst die Suche nach dem besten Platz, wo man einen der reißenden Bäche überqueren könnte, gehören ja zu den kleinen Abenteuern, die man weder mit Bildern noch im Film richtig zeigen kann.
Das das Wasser-Problem aus der Wüste kein Problem mehr ist, sieht man ja auf den Bildern gut. Dennoch merke ich manchmal ziemlich arg, dass mich die Jahrzehnte in meinem Beruf, in denen ich oft schwer heben mußt, strapaziert haben. Gelegentlich schmerzt mein Rücken ganz schön und der Bärenkanister hat an Gewicht ersetzt, was ich zuvor an Wasser zusätzlich tagen musste. Auch die Höhe hat mir ab und zu ganz schön zugesetzt. Kopfschmerzen sind da fast täglich eine Folge von gewesen. Zusätzlich gab es schon auch Momente, wo die Angst einen beschleichen wollte, wenn es seitwärts des Pfades mal gleich ein paar Hundert Meter steil bergab ging. Da war es dann auch gut, dass ich eigentlich nie alleine unterwegs war (wobei vermutlich der andere genau die gleichen Gedanken hatte).
Ob man den Wasserstand des Thomas A. Edison Lake wirklich als Maßstab nehmen kann für ein Urteil, dass auch hier die in der Sierra Nevada die Winter nicht mehr ausreichend Wasser bringen, weiß ich natürlich nicht. Es war aber so schon ein mächtiger Umweg, den wir gehen mußte, um zum Vermilion Valley Ressort zu kommen: normalerweise gibt es eine Fähre, die einen in 20 Minuten vom PCT zum Ressort bringt, aber die konnte wegen Niedrigwasserstand nicht fahren – schon jetzt nicht mehr, wo die Schneeschmelze noch voll in Ganze ist!
Als nächstes Highlight auf dem PCT käme der Yosemite-Park, der über die Grenzen Amerikas bekannt ist für seine gewaltigen Granit-Berge. Der Bekanntheitsgrad führt allerdings dazu, dass man tatsächlich ein Permit (Erlaubnis) braucht, um zum Beispiel den Half Dome zu besteigen. Da der Park auch noch nur per Anhalter zu erreichen ist und mich das mindestens zwei Wandertage kostet, habe ich beschlossen, lieber mein Ziel, den Northern Terminus in Canada im Auge zu behalten.
7. Juni - Unterhalb des Mammoth Mountain
Ich bin heute wieder sehr gut voran gekommen. Zwei Mal ging es zwar knackig nach oben, aber nicht so lange wie die vergangene Woche. Etliche Seen wieder passiert (Lake Virginia, Purple Lake und Duke Lake). Die Nacht verbringe ich über dem Cascade Valley im schrägen Hang (zum Glück findet sich aber immer ein gerades Stück Erde für das kleine Zelt). Morgen komme ich in Red Meadows/Pumice Flat an und überlege, ob ich kurz mal hinunter fahre nach Mammoth - es gibt eine regelmäßige Busverbindung und ein leckerer Burger wäre schon mal wieder etwas. Auf der anderen Seite kann ich zwei Tage später in den Toulumne Meadows mich auch mit Proviant versorgen. Mal sehen, wie es morgen "läuft"....
5. Juni - drei Pässe später am Lake Thomas A. Edison und genau zwei Monate unterwegs
Sechs große Pässe mit zum Teil viel Schnee liegen seit Kennedy Meadows hinter uns (Tom und ich). Es war anstrengend und ich war froh, die Strecke nicht alleine gelaufen zu sein. Es war aber auch berauschend und einmalig. Der schwerste Teil der Sierra liegt hinter mir. Mehr Infos kommen noch!
Im Moment bin ich im Vermilion Valley Resort am Lake Thomas Edison auf 1.800 m - ein wenig Vorräte auffüllen, WIFI buchen, duschen und die Beine lang machen.
Höhenrausch: Seit Kennedy Meadows ging es viel hoch und runter. Der PCT folgt den großen Tälern, muß aber gelegentlich über einen Pass, um ins nächste große Tal zu kommen. Der Kearsage Pass (3569 m), der Forester Pass (4009 m, Meile 779), Glen Pass (3635 m, Meile 791), Pinchot Pass (3686 m, Meile 807), der Mather Pass (3686 m, Meile 817) und der herrliche Muir Pass (3644 m, Meile 839) mit dem Evolution Valley dahinter haben gefordert aber nie überfordert. (Nur zur Erinnerung: 1 Meile = 1,6 km ;-) )
Das diese Höhe nicht ungefährlich ist zeigt diese Meldung: "Maddie Magee | May 28, 2022 | Twenty-three-year-old Maddie Magee died near the top of Forester Pass (the high point of the PCT) in California's Sierra Nevada of high altitude pulmonary edema or HAPE."
Kurz nachdem ich den Forester Pass (27. Mai) passiert hatte starb die 23-jährige Magee an einem Lungenödem infolge der Höhenkrankheit.
02. Juni - Mitten drin in der High Sierra, noch 200 Meilen bis Northern Kennedy Meadows
Ich befinde mich auf dem John Muir Trail (Wikipedia: John Muir war ein schottisch-US-amerikanischer Naturphilosoph und Autodidakt. Er betätigte sich als Naturalist, Entdecker, Schriftsteller, Erfinder, Ingenieur und Geologe), der ihm zu Ehren hier durch die unberührte Natur der High Sierra führt. Bin heute 1270 Meter abgestiegen und gute 800 m ingesamt aufgestiegen bei knapp 30 km - ich glaube, ich darf zufrieden und ein wenig stolz sein. Die Berge um meinen Nachtplatz am rauschenden Bach herum gehören zur Black Divide und der höchste heisst Black Giant. Nachdem die Sonne früh hinter dem Berggrat verschwunden ist, kann ich diesen Namen, den Schwarzen Giganten, sehr gut nachvollziehen. Dafür sollte mich morgenfrüh die Sonne wärmen, denn der Le Conte Canyon liegt unter mir und ist nach Osten geöffnet.
Morgen möchte ich den Muir Pass auf 3644 m Höhe überschreiten (Meile 837). Die Seen Wanda Lake, Sapphire Lake und Evolution Lake reihen sich auf einer Länge von 7 km aneinander. Ich überschreite eine der vielen Wasserscheiden, bei denen das Wasser entweder Richtung Pacific fliesst oder hinunter in die Wüste zu Füßen der High Sierra. Danach folgt ein langer Abstieg bis auf 2.500 m zum San Joaquin River.
Man meint oft, diese klangvollen Namen schon mal irgendwann in einem Western (die Älteren unter uns erinnern sich noch an "richtige" Western, wie sie heute kaum noch gedreht werden) gehört zu haben.
01. Juni - Über den Pass bei Mt. Wynne/Mt. Pinchot (12220 ft)
Das wird heute ein anstrengender Tag im Hochgebirge. Nach dem Waldfleck am Woods Creek geht es hinauf in die eher von puren Fels dominierten Regionen der High Sierra - aber erst einmal richtig aufwachen :-)
Abends: Ich bin bis kurz vor dem Mather Pass (Meile 816, 1310 km) gewandert. Wieder eine Kammüberschreitung bei etwa 3.700 m. Ich befinde mich im Palisade Range Gebiet mit Berghöhen bis 4343 m. Hier oben gibt es sogar einen kleinen Rest eines Gletschers. Zum Glück hält das Wetter und Tom und ich kommen gut voran.
Danach geht es hinunter in das lange Tal des Palisade Creek und in den Le Conte Canyon. Und dann wieder hinauf zum Muir Pass, 3644 m. Aber das ist Thema für Morgen – bis dahin ist der Rucksack ein Abendessen und zwei Frühstücke weniger schwer.
Wenn man auf die Karte schaut, ist Kennedy Meadows schon wieder ziemlich weit entfernt. Abends, wenn die Anspannung des Tages langsam von einem abfällt, mag man kaum glauben, dass man das alles zu Fuß gegangen ist. Wenn man dann aber die große Karte öffnet, die die mexikanische und die Kanadische Grenze zeigt, dann wird einem klar: das ist noch ein ganzes Stück Weg! Aber in Northern Kennedy Meadows (Meile 1017) enden langsam die Tage mit 1.000 und mehr Höhenmeter Anstieg und die täglichen Wanderstrecken werden länger. Aber das ist alles Zukunftsmusik – jetzt erst einmal Sterne zählen und schlafen! Morgen wird es gleich am Vormittag richtig anstrengend hinauf zum Mather Pass....