Wandertagebuch PCT - Mai 2022

Mai - April = Techachapi nach Glen Pass und weiter Mai - April = Techachapi nach Glen Pass und weiter

Das Tagebuch zeigt immer oben den neueste Eintrag!

31. Mai 2022 - Wieder mitten im Nirgendwo nahe Crater Mountain

Wasserprobleme gehören jetzt eher der Vergangenheit an. Am Vormittag habe ich acht kleinere und größere Seen passiert, während es immer weiter bergab geht. Heute Nacht übernachte ich unter 3.000 m, was dem Kopf gut tut - auch wenn ich mich inzwischen an die Höhe gewöhnt habe. Morgen geht es dafür dann wieder auf fast 4.000 m hinauf. Es wird also ein anstrengender 1. Juni. Schon zwei Monate sind vergangen - sie sind schlichtweg im Sauseschritt verflogen. Einige Tiefen habe ich schon durchschritten, aber das Ziel Northern Terminus ist nach wie vor fest im Blick! Liebe Grüße an euch alle da draussen mit Empfang. Das ist hier im Gebirge eher gelegentliches Glück :-)

30. Mai 2022 - Back on the Trail

7:30 Uhr geht es los und wir werden von Lone Pine nach Independence gebracht. Von dort bringt uns ein freundlicher Mensch hinauf in die Berge. Die Onion Valley Road geht hinauf bis auf rund 3000 m. Die restlichen 7 km und 450 Höhenmeter müssen wir wieder selbst bis zurück zum PCT gehen. Auch wenn es hier oben manchmal unangenehm kalt ist: die Hitze der Wüste war weniger gut zu ertragen!

Anmerkung zur Trail Magic: Bei dem Aufenthalt in Lone Pine stellte sich beim Abendessen die Aufgabe, einem Schweizer zu beschreiben, wie es da oben auf dem PCT eigentlich ist, was die Wanderung ausmacht. Dabei fiel mir erneut auf, wie schwer das eigentlich ist, das Besondere des Weges und der Landschaft auch in Worte zu fassen.

An sich mag ich es ja sehr, mit meinen Gedanken alleine durch die Gegend zu wandern. An Menschen aus meinem Leben zu denken, die mir wichtig und bedeutsam sind. Und an die Toten, von denen ich einige auf ihrem Weg zurück zu Mutter Erde begleiten durfte.

Doch hier ist weder Platz für die mitgenommenen Hörbücher, nicht einmal für die Musik und eben auch nicht für solche Gedanken. Der Weg ist meistens nicht wirklich schwierig, aber die tägliche Anstrengung nimmt einen schon sehr in Anspruch. Doch der wichtigste Eindruck ist….wie soll man das erklären: Es ist, wie wenn man im Zug sitzt und ständig aus dem Fenster schaut. Irgendwann ist der Speicher für Eindrücke einfach voll. Und so ist das bei der Wanderung: hinter jeder Bergbiegung, hinter jedem Kamm kommen neue Eindrücke. Im Zug kann man den Blick vom Fenster abwenden, die Augen schließen – das geht auf dem Trail nicht. Abends ist dann der Kopf so voll, dass man nichts mehr lesen oder noch mehr Informationen aufnehmen möchte.

So kommt es auch, dass die Gespräche unter den Thru-Hikern sich nicht darum drehen, was der Einzelne beruflich macht oder welche Lebensgeschichte er hat. Vielmehr drehen sich die Gespräche um die kleinen und größeren Erlebnisse auf dem Weg bis hier her. Und was hinter so einem Wanderer an Leben steckt, ob er sich diese Wanderung vom Mund abspart oder wohlhabender Börsenmarkler ist – das sieht man nach drei Wochen Trail niemandem mehr an. Und nach zwei Monaten sehen wir alle schon etwas abgerissen, dreckig und verlumpt aus. Über manche „Beleidigung der Nase“ möchte ich gar nicht reden. Die eiskalten Seen sind nicht jedermanns Geschmack, um den Schweiß der vergangenen Tage abzuwaschen. Und vielleicht gehört auch Duschen nicht unbedingt zum gewohnten Ritual…lassen wir das Thema!

In Kennedy Meadows gibt es die Tradition, dass man jeden ankommenden Wanderer mit Klatschen begrüßt. Und selbst zu Mitternacht gibt es immer ein paar, die noch in den Stühlen rumhängen und feiern und den spät Hereinkommenden klatschend ein Willkommen entgegenrufen. Das Campen dort kostet nichts und die Trail Angels leben von dem, was man als angemessen angesehene Spende dort lässt. Sie werden zusätzlich reichlich mit Geschichten und Kontakten für ihr Engagement entlohnt.
Aber zurück zur Trail Magic. Dazu gehört vielleicht auch der Fluch über den Sand, der endlos sich dahinzieht und einem die Kraft aus den Beinen saugt. Einfach, weil man sooo froh ist, wenn er endlich vorbei ist. Aber natürlich ist es auch die Landschaft, die so beeindruckend sein kann. Klar gibt es auch Tage, das passiert so gut wie nix. Da läuft man und läuft nur. Bis hier her hat auch der Gedanke an das Wasser immer wieder sehr den Tagesplan beherrscht. Auch wenn der Hunger durch den Kalorienverbrauch sehr hoch ist: einen Tag mal hungern ginge, aber ohne Wasser wäre echt Mist. So nimmt man natürlich auch immer etwas mehr Wasser mit in den eh schweren Rucksack, um ein klein wenig Reserve zu haben.
Seit Kennedy Meadows ist zusätzlich der 1,5 kg schwere Bärenkanister im Rucksack. Allerdings ist die Wassersorge hier oben in der High Sierra nicht mehr ein so großes Problem wie bis nach Kennedy Meadows.

Doch dann gibt es eben auch diese Tage….ich erinnere mich, als nach Stunden in der staubigen und brottrockenen (was gibt es eigentlich noch trockeneres wie trocken Brot) Wüste hinter einer Bergfalte plötzlich das erste Gras auftauchte. Wie ein feiner Teppich aus grünen Haaren überzog er den Hang und ging dann über in grüne, saftige Büsche, die Schatten spendeten. Das sind so Momente, in denen man plötzlich wieder hellwach ist und mit allen Sinnen die Veränderung in sich aufnimmt.
Auch beeindruckend sind die Bäume hier oben. Zwischen den Felsen stehen sie in Gruppen und zeigen deutliche Spuren der Stürme, der Schneelast, Trockenheit des Sommers oder auch Reste des letzten Waldbrands. Verbogen, verdreht, manche verkrüppelt und dennoch wuchtig und widerstandsfähig.

Etwas anderes ist auch sehr schön: Der Zusammenhalt der Trailfamilien. Immer wieder kann man an den Stellen, wo man sich abends trifft, erkennen, wenn Teile einer Trailfamilie wieder zusammenkommen. Denn hier findet jeder den oder die passenden Wanderpartner. Und manche sind eben schneller unterwegs, andere lassen sich etwas mehr Zeit. Aber wenn man sich dann wieder trifft, gibt es ein großes Hallo und die Freude springt auf uns alle über. So sind wir PCT-Wanderer ja auch alle aus ähnlichen Gründen hier auf dem PCT unterwegs: wir lieben die Natur, das Weitwandern, das einfache Leben im Zelt, die Herausforderung. So unterschiedlich die Menschen, nicht nur vom Alter her, sind, so ähnlich werden sie sich mit jeder weiteren Meile Richtung Norden. Inzwischen ist sowieso der Teil der Wanderer, die das Unternehmen etwas zu leichtfertig angegangen sind, stark ausgedünnt.


Von Tehachapi nach Kennedy Meadows und über den Forrester Pass (Zusammenfassung 12. Mai bis 27. Mai)

Zwischen Tehachapi und Kennedy Meadows gibt es wohl so manche „Challange“. Manche laufen mit ganz skurrilen Sachen die Strecke, andere schauen, wieviel Kilometer sie maximal an einem Tag machen können und wieder andere versuchen am längsten an einem Tag unterwegs zu sein. Der Grund dafür: Es ist doch ein recht eintöniger Wegabschnitt! Ausser dem ständigen Auf und Ab verändert sich die Landschaft kaum. Und leider bleibt es auch bei dem elenden Wasserschleppen, denn die Rinnsale hier sind schon bereits überwiegend ausgetrocknet. Ohne die gelegentlichen „Water Caches“ wären manche Strecken fast nicht zu wandern, weil man so viel Wasser mitschleppen müßte. Ausserdem ist dieses tagelange „durch den Sand“-Schlappen wohl am Ende jedem auf den Geist gegangen.

In Richtung Kennedy Meadows wurde der Weg immer moderater. Die Meadows sind große, eher flache Täler inmitten der Bergwelt.

Seit Kennedy Meadows ging es dann die ganze Zeit immer höher hinaus. Eine der faszinierenden Aspekte ist ja der Blick von dort oben hinab in die weite Wüste (ja, das Wetter ist absolut stabil und gab bislang keinen Grund zu einer echten Klage – wobei ein wenig weniger Wind schon an manchen Tagen erfreulich gewesen wäre – aber alles besser wie Regen oder ständig in den Wolken entlang wandern müssen). Hier oben liegt Schnee, dort unten flimmert die Luft in der Hitze.
Allerdings merkt man die Höhe! Und die gleiche Anzahl Meilen hier oben im Vergleich zur Wüste sind deutlich anstrengender.

Ausser in der prallen Sonne bei Windstille ist es auf 3.000 bis 4.000 m zudem echt kühl. Hier oben liegen noch Schneefelder und unten in der Wüste sieht man der Landschaft an, dass nicht viel Regen hinter der Bergkette das Jahr über ankommt. Habe nachts sogar meine Daunenjacke im Schlafsack angezogen, so kalt wurde es in der klaren Luft. Der Morgen fängt dann an wie bei den Eidechsen: steif!
Da tut der Kaffee sooo gut und die ersten Tausend Schritte dienen eindeutig zum Aufwärmen.
Was wirklich ab und zu einfach zu einer Pause zwingt sind die Streifenhörnchen (nein, es sind gar keine Streifen-Hörnchen 😊), die bisweilen sehr zutraulich am Wegrand auftauchen. Die „Futterquelle“ PCT-Wanderer ist wohl schon von Generation zu Generation weitergegeben worden.
Immer wieder auch spannend: Kreuzungsverkehr mit Klapperschlangen. Diese Begegnungen sind für mich inzwischen auch „zur Gewohnheit“ geworden. In Deutschland findet so etwas ja allerhöchstens einmal pro zehn Jahre statt.

Seit Kennedy Meadows trage ich auch einen Bear Canister mit mir herum. Er ist Vorschrift auf diesem Abschnitt des PCT – hab ihn am 21. Mai beim Grumpy Bear Retreat in Kennedy Meadows abgeholt und auch gleich beim Triple Crown Outfitter meinen Resupply gemacht. Duschen ging auch, allerdings fiel dann der Generator aus und „die Küche blieb dann kalt“.

Der Bear Canister soll verhindern, dass die Bären die Lebensmittel riechen und aufdringlich werden. Jedes Jahr kommt es zu vermeidbaren Zwischenfällen mit Bären, weshalb diese Regelung inzwischen zwingend ist. Praktisch ist der große Schraubkanister ja nicht gerade, aber was muß muß!

Was auffällt sind die vielen abgebrannten Flächen. Die meisten Bäume überleben die Feuer, aber das Unterholz ist komplett weg, was recht kahl aussieht. Auf älteren Brandflächen sieht man aber, dass die Vegetation wieder zurückkehrt.

Mount Whitney, höchster Berg innerhalb der USA ausser Alaska

Ganz ausbleiben konnte es nicht: zweimal bin ich bereits gestürzt. Im Moment habe ich noch Schwierigkeiten beim Schlafen auf dieser Seite und das Gehen ist auch nicht ganz so bequem damit – aber was einen nicht tötet, macht einen nur härter 😉

Mount Whitney (26. Mai): Das letzte Mal, dass ich so viele Stirnlampen hinter mir gesehen habe war in Neuseeland, als wir alle ausschwärmten zum Kiwi-Beobachten. Um 12 Uhr nachts ging es los, denn nachmittags wird der Schnee arg sulzig in der Sonne.
Der Anstieg war mega-anstrengend. Wegen der blöden Verletzung am Fuß habe ich schweren Herzens kurz vor dem Gipfel umgedreht. Mir ist der PCT wichtiger wie das Foto am Gipfel. Die Extraanstrengung für den Anstieg bis auf 4.300 m tat meinem Fuß nicht gerade gut. Aber bis auf den finalen Gipfelsieg (4421 m) habe ich die grandiose Landschaft, den enormen Weitblick und das hochalpine Ambiente sehr genossen. Eingemummelt in meinen Schlafsack habe ich da oben den Sonnenaufgang erlebt. Noch nie zuvor hatte ich auf einer so großen Höhe dieses Naturschauspiel erlebt: megabeeindruckend.

Der Abstieg durchs Blockfelsgelände hat meinem Fuß dann aber doch arg zugesetzt und es schmerzte am Ende fürchterlich. Habe dann erst einmal geschlafen. Am frühen Nachmittag bin ich dann noch weiter in Richtung Forester Pass gewandert.

Forester-Pass (4009 m)

Tags drauf dann wieder früh gestartet, um vor dem Erweichen des Schnees den Pass zu passieren. Steil aber gut zu gehen ging es hinauf zum 4009 m hohen Forester Pass (27. Mai). Um 12 Uhr mittags waren Tom und ich oben in der Scharte. Erst hinten dran wurde es anstrengend. Im Schneefeld versank man manchmal so tief…zwei Mal musste mich Tom wieder aus den Schneelöchern herausziehen. Einmal wäre fast der Schuh drin stecken geblieben. Nass, kalt und anstrengend, obwohl es bergab ging - gehen wie durch zähen Schleim. Dafür wurde es weiter unten wieder so zauberhaft. Ein wunderschönes Tal, eingefasst von schroffen Wänden. Und der angekündigte Höhensturm konnte uns nichts mehr anhaben.


28. Mai - Independence/Lone Pine (Glen Pass, 791 Meilen)

Kalorien-Nachschub!!

Um den nächsten Resupply durchzuführen sind wir 450 m und rund 7 km bis zur Onion Valley Road abgestiegen. Von dort aus ging es abenteuerlich kurvenreich hinunter in die Wüste (was eine erbärmliche Hitze!) nach Independence. Jetzt machen wie anderthalb Tage hier in der kleinen Stadt Lone Pine Pause, die Muskeln entspannen, duschen, waschen, erholen, einkaufen, planen. Was man halt so macht an einem Zeroday. Aber es zieht mich schon wieder hinauf in die Sierra und auf den Trail weiter nach Norden!

27. Mai - Forrester Pass

Nur so nebenbei: der Mount Whitney ist der höchste Berg in Nordamerika ausserhalb Alaska (dort ist der Denali deutlich über 2000 m höher)

Auch der Forrester Pass (4009m), die regulär höchste Stelle des PTC liegt ohne Komplikationen wie zu viel Schnee oder Eis hinter mir. Im Moment werde ich nach Gefriertemperaturen oben in der Wüste von Independence gedörrt. Später mehr über die letzten Tage :-)

26. Mai - Mount Whitney (4421 m) bestiegen, allerhöchster Punkt der ganzen Tour (14505 ft )

Diesen Berg muß man nicht besteigen, wenn man den PCT geht, aber man verpasst etwas, wenn man es nicht tut - bei diesem herrlichen Wetter seit nun schon Wochen! Es ist ein voller Extratag, denn die Luft wird hier oben langsam dünner.

22. Mai - ein langer, anstrengender Tag

Nun geht es wirklich hinauf. Wobei selbst Berge über 3000 m noch bewaldet sind. Heute übernachte ich unter dem 4000m hohen Olancha Peak. Es geht mir gut und ich komme gut voran, auch wenn es seit dem South Fork Kern River vor allem stetig bergauf geht.

21. Mai - Ein Pausentag in Kennedy Meadows

Ich habe den freien Tag zum Resupply genutzt. Es geht nun in die hohen Berge und ich werde nicht mehr so einfach mich irgendwohin bringen lassen können, um nachzukaufen, was eventuell fehlt. Dafür dürfte in der High Sierra das Problem mit dem Wasser endlich aufhören.

Der höchste Pass des PCT ist auch nicht mehr weit. Ich fühle mir rundum gut und werde auch das locker schaffen (wenn nur der Rucksack nicht so schwer wäre)

Ich werde vermutlich einige Tage keinen sehr guten Internetzugang haben. Aber dann melde ich mich wieder! Liebe Grüße an die Daheimgebliebenen und die neu gewonnenen Freunde.

19. Mai - Angekommen in Kennedy Meadows

Nach 28 km durch eine zunehmend kahle Landschaft habe ich am Nachmittag die weite Talebene von Kennedy Meadows erreicht. Hier ist der letzte Versorgungspunkt vor der High Sierra., die mit vielen Pässen und schroffen Gipfeln auf den Wanderer wartet. Knapp 1.300 km führt der PCT durch die gewaltige Gebirgsmauer, die aus dem Zusammenstoß der Amerikanischen mit der Pazifischen Erbplatte resultiert. An der Interstate 5 geht es dann hinüber in die Trinity Alps und kurz danach bei Meile 1692 dann nach Oregon hinein. Aber im Moment bin ich noch bei Meile 702 und Oregon noch sehr weit entfernt! Erst mal Schlafen!!

18. Mai - und weiter durch die Bergwelt

Kaffee gibt es nicht jeden Tag (auch wenn es gut wäre, aber das gehört in den Bereich des Luxus – und den gibt es auf dem Trail nur manchmal). Allerdings habe ich mir heute Morgen einen gekocht. Ich habe den Aufbrüh-Kaffee geschenkt bekommen und er ist richtig gut. Ausserdem habe ich hier Wasser.

An dieser Übernachtungsstelle gibt es einige 10 Meter tiefer Wasser. Also habe ich mir zwei Liter Wasser hoch geholt zum Zelt und es angefangen zu filtern. Da habe ich dann im ausgehenden Tageslicht gesehen, dass winzige Fischlein darin schwimmen. Bitte fragt nicht, was ich mit ihnen getan habe, nachdem das Wasser nach einer Stunde durchgefiltert war….
Ohne Wasserfilter ginge hier nichts. Allerdings ginge es ohne die Wassercaches überhaupt nicht. Das Wasser hier wirkt nirgends wirklich vertrauenserweckend.

Die Anzahl an Wanderer ist bereits deutlich ausgedünnt. Die mentale und körperliche Belastung ist schon enorm. Es ist fraglich, ob man den PCT schafft, wenn man das erste Mal weitwandert, ohne vorher Erfahrungen gesammelt zu haben.
Vielleicht springen auch einige der Wanderer großzügig von Trailhead zu Trailhead und lassen besonders anstrengende Stücke lieber aus. Nicht jeder schafft es, tagelang durch die wüstenhafte Landschaft zu laufen, immer durstig, verschwitzt im elenden Sturmwind, ständiges Hoch und Runter und alleine mit den eigenen Gedanken. Und etliche haben halt nun auch schon Verletzungen. Manche Wegabschnitte sind auch beängstigend schmal oder felsbrockenübersät. Auch das Durchkriechen unter den umgefallenen Bäumen auf allen Vieren ist echt….ein Elend. Und an anderen Stellen läuft man ewig lang durch losen, weichen Sand. Das ist dann anstrengend wie an einem Südseestrand oder im Tiefschnee.

Und morgens aus dem Zelt heraus kriechen....ist jetzt auch nicht mehr so elegant. Das liegt nicht nur am Alter, sondern auch an der Anstrengung, die sich auf unterschiedliche Körperteile unterschiedlich auswirkt. Gäbe eher eine Fünf bei der Haltungsnote :-)

Noch etwas anders vom morgendlichen Aufstehritual: Es ist unglaublich, wie eine Handvoll Wasser ins Gesicht und zum Zähneputzen zum Luxus werden kann. Wie intensiv man die Frische empfindet, wenn im morgendlichen Schatten der kühle Wind das Wasser im Gesicht noch kühler werden lässt. Überhaupt ist es manchmal verdammt kalt nachts, dass einem die Füsse auskühlen.

Abends:
Mein Nachtplatz liegt heute im Tal in der Nähe eines Baches. Ich habe die zwei Pässe unter der "Spanish Needle" in der Owens Peak Wilderness hinter mir gelassen und befinde mich im Abstieg. Genau am "Spanish Needle Canyon" habe ich eine Schnapszahl passiert: 666 Meilen - juhu!

Morgen habe ich gute Chancen, Kennedy Meadows zu erreichen. Es sind noch 17 Meilen (27 km) bis Meile 700.

17. Mai - Walkerpass und Owens Peak Park

Wie erwartet ging es heute zunächst hinunter zum Walker-Pass mit seiner großen Straße, die die Westküste mit dem Inland verbindet. Und dann...wieder bergauf. Weil es meinem Fuß recht gut geht und auch sonst das Zwicken und Zwacken nicht schlimmer geworden ist, habe ich trotz zusätzlicher 4 Kilo Wasser eine ordentliche Strecke geschafft. Am Abend ragt über mir der 2.800 m hohe Owens Peak auf und ich schaue aus einer bewaldeten Falte im Westhang des Gebirgsstocks richtung Südwesten. Es ist halb Zehn und ich nach einer guten Mahlzeit reichlich müde. Und von manchen Tagen gibt es auch nicht so wirklich was Spannendes zu erzählen - es geht bergauf und bergab durch die Bergwelt.

Morgen werde ich vermutlich dann aber schon wieder absteigen, denn der Pacific Crest Trail folgt dann für viele Meilen den Tälern Richtung Kennedy Meadows. Ich hoffe, dass dann das Wasserproblem ein geringeres ist wie hier oben auf 2.000 -2.500 Meter Höhe. Luftlinie sind es noch 33 km, aber der Weg macht richtig viele Biegungen und Kurven. Zwei Tage sind das mindestens noch.

16. Mai - weiter durch die ersten Ausläufer der Sierra nach Kennedy Meadows

Wandern, wie wenn du in den Luftstrom eines Heissluftföhns reinläufst - so fühlt sich das heute an. Der heftige Wind kühlt nicht. Und nach der nächsten Wasserstelle folgen 22 Meilen (35 km !!!) trockene Landschaft bis zur nächsten Wasserstelle. Das Therma mit dem Wasser beherrscht schon die Gedanken recht intensiv. Und der ständige Wind nervt gewaltig.

Den Zeh schütze ich vor gut vor Staub und Dreck. Es wird auch immer etwas besser – zum Glück neige ich nicht zum Schwitzen an den Füssen. Werde dennoch in Kennedy Meadows nochmals Verbandszeug organisieren – vorsichtshalber. Die Kurzgamaschen (Gaiters) sind ein unbedingtes Muß und sind sehr hilfreich. Sei es gegen dorniges Gestrüpp oder gegen den allgegenwärtigen Sand und Staub.
Zusätzlich kommt derzeit das rechte Knie und die linke Hüfte hinzu. Ich befinde ich mit diesen kleinen Schwächen in guter Gesellschaft mit allen anderen PCT-Wanderern. Von Blase an den Füssen bis schmerzende Stellen unter den Rucksackriemen, Rückenschmerzen oder Reibestellen am (schweißnassen) Rücken.

In einem der Joshua Trees war gestern ein ganzer Schwarm von Grillen(?) zu hören. Fast schon ohrenbetäubend laut waren die. Auch eine fette Schlange kreuzte den Weg – gut getarnt im Gelände, aber deutlich sichtbar auf dem Weg. Hier heizt die Sonne optimal die wechselwarmen Tiere.

Ich lutsch dann mal weiter mein Bonbon und wandere hinauf zum Walker-Pass ;-)
Wobei das irgendwann demnächst bergab gehen müsste...da am Pass sollte es dann auch den nächsten Wassercache vor der langen Durststrecke geben. Aber vorher laufe ich noch in die Dunkelheit hinein und schlafe irgendwo ein paar Kilometer vor dem Pass.

Ah, noch etwas: Habe die ersten 1000 km der 4265 km Gesamtstrecke hinter mir (Tag 40) - Juhu!!

14.-15. Mai – Kammwanderung um das Keslo Valley herum

Der Rucksack ist eindeutig zu schwer. Das liegt aber nicht nur an dem vielen Essen, das wir mitnehmen müssen. Vor allem wiegt das viele Wasser schwer, das wir am Weldon Peak vorbei in die Saint John Ridge tragen müssen. Die Kammwanderung an sich ist herrlich. Die gewaltigen, sturmzerzausten Kiefern und die von Wind und Wetter geformten Felsen sind faszinierend. Auch die Ausblicke von dem schmalen Pfad immer wieder berauschend. Doch nun hat die Hitze auch uns wieder im Griff. Der Mittagsschlaf wird fast schon obligatorisch, um dem Körper einen Moment Regeneration zu gewähren.

Vorgestern trafen Tom und ich auf einen älteren PCT-Wanderer, der sein letztes Wasser schon ausgetrunken hatte. Es lagen noch gute vier Meilen (6,5 km) bis zur nächsten Wasserstelle vor ihm, aber er war schon reichlich fertig. Nicht, dass wir ihm das Leben gerettet haben, aber er war schon sehr dankbar, dass wir ihm von unserem aufgesparten Wasser etwas abgegeben haben.

Gestern dann durfte ich am eigenen Körper spüren, wie heftig es ist, wenn das Wasser alle ist und der Körper seine Dienste einstellt. So weich in den Beinen und so kraftlos habe ich mich noch nie gefühlt. In der Hitze verliert man unwahrscheinlich schnell die Flüssigkeit, die man zuvor mühevoll auf dem Rücken umhergetragen hat. Abends bin ich dann auch nur noch in den Schlafsack gefallen und war zu müde für alles!

Ich werde am 16. Mai versuchen, eine lange Mittagspause zu machen und dafür bis in die Nacht hinein zu wandern. Tagsüber ist es unerbittlich heiß. Näher zur Küste wüten auch schon wieder die ersten Waldbrände in Kalifornien. Besonders dieser wüstenhafte Staat bekommt die Klimaerwärmung deutlich zu spüren. Für die ausgedehnten Obstanbauflächen steht jedes Jahr weniger Wasser zur Verfügung und Waldbrände sind bei wochenlanger Rekordhitze nicht zu vermeiden. Und wir PCT-Wanderer müssen froh sein über kleine Rinnsale, die vom immer weniger fallenden Winterschnee gespeist werden.

Für diese Woche sagt der Wetterdienst eine für die Jahrezeit viel zu frühe intensive Hitzewelle voraus - bis zu 30 Grad im Schatten. Das wird sehr, sehr hart in der nur spärlich von Bäumen bestandenen Bergwelt.

13. Mai 2022 - Es geht wieder los - Richtung Kennedy Meadows (nächster Versorgungspunkt)

Ich freue mich, wieder auf dem Trail zu sein. Um 8 Uhr wurden wir zurück zum Pass gefahren und dann begann auch gleich der Anstieg: 800 Höhenmeter. Aber das ist es nicht, was mich (und die anderen) bremst. Es ist der elend schwere Rucksack mit Essen für 8 Tage. Der schmerzt schon, wenn man ihn nur aufsetzt - oh mein Gott!

April - Mai = Von der mexikanischen Grenze nach Tehachapi

10. - 11. Mai 2022 - Elend lange Strecke nach Tehachapi und ein Ruhetag

Um nicht nochmals nördlich des Fremont Valley im Freien übernachten zu müssen, vor allem aber, um nicht am nächsten Tag fast 24 Meilen ohne Wasser laufen zu müssen, haben wir aus den ursprünglich 15 Meilen für diesen Tag doch dann 23 Meilen (knapp 37 km) gemacht. Dafür sind wir dann mit Hiker-Daumen nach Tehachapi (1200 m Höhe) getrampt und können unsere Vorräte auffüllen und in einem Hotel übernachten, duschen und waschen. Es war allerdings ein harter, anstrengender und wie die ganze Zeit schon sehr windiger Tag.
Nach Tehachapi geht es langsam in die Sierra Nevada hinein, dem langestrecken Bergrücken im Westen Amerikas, der uns nun für viele Wochen begleiten wird. Sweet Ridge und Emerald Mountain sind die nächsten Ziele, die uns wieder bis an die 2000 Meter Grenze bringen. In Kennedy Meadows beginnt dann die richtige High Sierra, aber bis dahin sind es noch ein paar Tageswanderungen :-)

Vorher erholen wir uns in dem Ort und tun vor allem eines: Essen, essen und nochmals essen. Es ist unglaublich, was man alles in sich hinein stopfen kann. Selbst Süßkram und Fett hinterlassen keine Spuren - der Körper verbrennt inzwischen alles, an das er heran kommen kann. Die Wäsche wird auch wieder mal gewaschen. Nur in Daunenjacke und Regenjacke gehüllt habe ich die Loundry im Dorf gesucht - herrje, ist das kalt morgens!

Meine neuen Schuhe sind ebenfalls da. 900 km in dem Gelände und mit dem Gewicht hat die Altras Stabilität und Zusammenhalt gekostet. Und die nächsten Kilometer werden nicht besser zu den Schuhen sein.

Ich teile mir meinen drei Begleitern ein Hotelzimmer - so halten sich die Kosten in Grenzen. Sieht recht wüst aus in unserer Wohnbude - eben fast so wie in den Campgrounds. Allerdings ist "Duschenkönnen", wann immer man will, schon ein besonderer Luxus.

7. - 8. Mai - Durch das Antelope Valley bei Neenach - Wind- und Solarkraft pur

Nach einer ausgedehnten Pause auf dem Bear Campground und Wasserfassen bin ich am 32. Tag meiner Wanderung noch bis zum Rand der Traverse Mountain Ridge gewandert. Der äußerste Zipfel der Mojave-Wüste zieht sich hier bis weit in den Westen hinein und kann extrem heiß sein. Wir haben allerdings Glück. Es wird nicht so warm die kommenden Tage. Am Horse Trail Camp kurz vor der Ebene bleibe ich für die Nacht.

Am 8. Mai geht es hinab nach Hikers Town, eine verrückte Ansammlung von Schuppen inmitten von weitgehend....nichts. Neenach ist ein riesiges Gebiet, in dem gerade mal 800 Menschen ihre Häuser stehen haben. Dementsprechend weitläufig ist alles.
Um Halb Sechs bin ich wieder auf den Beinen und laufe - noch immer behindert und deswegen langsam - los. Durch die Hügellandschaft vor der staubigen Ebene schlängelt sich der Weg zum Rastplatz, wo es auch etwas zu Essen gibt. Drei Stunden später bin ich wieder auf dem schnurgeraden Weg parallel zur Wasserleitung. Das Wetter ist zu günstig und so laufe ich - entgegen des ursprünglichen Plans, nachts zu gehen - mit den anderen weiter. Unglaublich viele Windkraftanlagen stehen hier in der Ebene und die Hänge hinauf. Dementsprechend windig ist es und keinesfalls warm.
Um 19 Uhr habe ich einen Teil des riesigen Solarparks Garland Solar Factory umrundet. Trotz der umstehenden Windkraftanlagen baue ich mein Zelt auf - weiter komme ich heute einfach nicht! Das waren 43 Kilometer, aber dafür bin ich fast wieder raus aus der Ebene.

6. - 7. Mai - Es geht weiter, keine Zeit für langes Heilenlassen

So schön der Platz da bei Lake Hughes auch war, es hält mich nicht. Der Fuß ist frisch getapt und es geht ganz gut. Bin zwar nicht gerade die Schnellste, aber dennoch schaffe ich 12 Meilen. Muss sie auch schaffen, denn erst da gibt es wieder Wasser.

Am 7. Mai geht es weiter nach Neenach. Je nachdem, welche Ausrichtung der Hang hat, ist es sommerlich-trocken - doch eine Biegung weiter wächst das frische Gras 50 cm hoch und es blüht wie wild. Dieser Duft! Zum Glück ist die Verletzung am Fuß so, dass ich laufen kann und die Wunde nicht durch die Dehnung ständig wieder aufreisst. Glück im Unglück. Nun muß ich sie "nur" sauber halten. Was gar nicht so einfach ist, denn der feine Staub findet seinen Weg selbst in die untersten Kleidungsschichten findet. Aber ich habe keine Schmerzen und ich kann unverkrampft gehen. Es ist doch eher glimpflich verlaufen. Zudem ist der Wanderweg einfachtraumhaft zu laufen. Ein herrlich bequemer Pfad, der natürlich hoch und runter geht, aber weit entfernt vom wilden Te Araroa in Neuseeland.

Das Essen hier drüben ist echt....kalorienreich. Nicht, dass es uns Langstreckenwanderer stören würde. Aber wenn so ein einzelner, gar nicht großer Keks schon 500 kcal hat und ein Eisbecher 1000 kcal, braucht man sich nicht zu wundern, warum hier....sagen wir mal so: draussen vor der Kneipe steht die Harley, drinnen ist der Bauch. Leibspeise für mich ist Tortilla mit Marmelade oder Käse oder was eben gerade da ist.

Kleine Geschichte: Als ich in der Kneipe in Lake Huges saß, kommt ein Hiker rein und setzt sich an den Tisch nebenan. Nach dem Hallo hin und her kommt die Frage: "Bist du Happy?"
Und dann erfahre ich, dass meine Geschichte den Trail rauf und runter wie ein Lauffeuer weitererzählt wird.
Als ich wieder zurück am Zelt bei Lake Hughes bin, kommen zwei Hiker vorbei...und die fragen mich auch, ob ich "Happy" bin mit dem Tent-Nail :-)
Und zwei Tage weiter kommt das Mädel, das in Lake Hughes neben mir zeltete, als mir der Mist passiert ist, zu dem Nachtplatz, wo ich auch schlafen werde....was ein Wiedersehen. Die zwei Wandertage habe ich ja zwangsweise abkürzen müssen, damit ich dann jetzt wieder ohne große Probleme weiterlaufen kann. Aber so habe ich ein wenig "Berühmtheit" erlangt - nicht Blasen am Fuß, sondern ein Zeltnagel...

5. Mai 2022 - per "Kankentransport" nach Lake Hughes :-)

Es fällt sehr schwer, den anderen dabei zuzuschauen, wie sie nach und nach wieder auf dem Trail verschwinden. Aber viele Meilen auf dem in einen Verband gewickelten Fuß laufen kann ich vergessen. Nicht, dass es sonderlich weh tut, aber ich will nicht riskieren, dass der Schnitt wieder aufreisst und sich dann womöglich entzündet. 
So verabschieden sich Tom und Salty und die anderen Mitwanderer von mir und ich bleibe zurück.

Doch wie so oft: Das Glück kommt vorbei und klopft leise an. Wenn man es hört und die Türe öffnet, dann passiert so etwas wie mir es passiert ist: Kurz vor Mittag bekomme ich eine Mitfahrgelegenheit bei der Schwester der freundlichen Dame, die mir gestern Abend den Fuß verbunden hatte. Sie hatte sogar in der Facebook-Gruppe der Trailangels einen Eintrag gemacht, dass ich einen Ride, eine Mitfahrgelegenheit brauche. Doch am Ende hat sie es selbst übernommen, mich nahe Lake Hughes (alle Seen sind bereits ausgetrocknet) zu bringen. Die extrem weiten Strecken ohne ausreichende Wasserversorgung um Aqua Dulce herum liegen damit hinter mir. Das hilft sehr, auch wenn es Luftlinie nicht mal 35 km sind.
Nun bin ich an der Schnittstelle des PCT mit der Strasse nach Lake Hughes. Die Strasse ist nicht viel befahren und ich finde einen ganz netten Platz in einer kleinen Baumgruppe.

Als ein Mann mit seinem großen, schwarzen Hund vorbeikommt, geraten wir ins Gespräch. Ich erzähle ihm, wie ich hier her gekommen bin und was mir passiert ist. Er erzählt mir, dass es oben an der Strasse frische Cookies und kalte Getränke und frisches Wasser gibt. Er bietet mir an, mir etwas zu holen – und tut das dann auch. Es ist herrlich, wie hilfsbereit die Menschen hier sind.
Später möchte ich noch nach Lake Hughes, es gibt dort einen winzigen Supermarkt und ein kleines Restaurant, wo ich mir was zu Essen bestellen möchte.

Unglaublich, der Mann, der mir vorhin schon geholfen hat, hat mich abgeholt und nach Lake Hughes gefahren. Er hat mir sogar ein kleines Päckchen mit Verbandmaterial und Desinfektionsmittel mitgebracht. Nun sitze ich glücklich in der kleinen, urigen Kneipe und esse Hamburger mit Pommes und frischem Salat. Es ist wirklich so unglaublich – da sitzt man im vermeintlichen „Middle of Nowhere“ und dann finden sich so herzliche und freundliche Menschen.

4. Mai - Zwangspause 2 Tage vor Aqua Dulce

Weiterlaufen ist heute leider keine Option. Der Fuß tut zu weh und ich will keine Entzündung riskieren. Hoffentlich kann ich morgen wieder.
Das sind die Situationen, die einen trotz eisernen Willens stoppen können :-(

2. - 3. Mai - Entlang der Angeles Crest Road und dann hinab nach Solidad Canyon

So herrlich die Landschaft hier oben. Sie wird geprägt von dem rauen Klima, den zahlreichen Waldbrände und durch die Steilheit der Berghänge und erinnert mich permanent an klassische alte Cowboy-Filme aus meiner Jugend. Die Kiefern sind Zeugen für die harschen Lebensbedingungen und auch wir Wanderer kämpfen das ein oder andere Mal mit dem Weg. Scheefelder und umgestürzte Bäume erschweren das Vorankommen. Zudem sind viele Wasserstellen jetzt schon nur noch Rinnsale. Die später startenden Thruhiker werden noch viel mehr Wasser mit sich herum schleppen müssen, um nicht Durst leiden zu müssen.

Der Wanderweg folgt mit Abstand der Kammlinie, der auch eine Forststrasse folgt. Bisweilen ist es jedoch so schmal hier oben, dass nur noch der PCT Platz findet. Die Aussicht ist - welch Glück, dass das Wetter so stabil gut ist - zwar grandios, aber durch Dunst in der Luft nie richtig klar.
Den Meile-Marker 400 passiere ich am 2. Mai und lande nach einem langen Abstieg aus dem Gebirge am 3. Mai schließlich bei Meile 444 im Solidad Canyon. Der dortige Campingplatz ist zu verlockend und die Kleidung kann wie ich selbst dringend eine Reinigung vertragen.
Leider ist mir ein sau-doofes Mißgeschick passiert. Ich bin in einen Zeltnagel reingetreten und habe mir unterm Fuß ordentlich Fleisch aufgerissen. Nach Begutachtung einer zufällig anwesenden Krankenschwester bleibt mir zwar das Nähen der Wunde erspart, aber ich muß mindestens einen zusätzlichen Zeroday einlegen - wenn nicht zwei. Denn eine Entzündung kann ich mir nicht leisten bei den vielen Kilometern, die noch vor mir liegen. Mist!

30. April - 1. Mai 2020 - Wieder auf dem Trail in den Transver Ranges Richtung Agua Dulce

Am 30. April früh um 7:30 Uhr stehe ich wieder auf dem Trail. Frisch ausgeruht machen sich Tom, Salty und ich auf den Weg Richtung Mount Baden-Powell. Es geht knapp unter dem 2862 m hohen, baumlosen Gipfel entlang (Baden-Powell war übrigens britischer Kavallerie-Offizier und Gründer der Pfadfinderbewegung). Der Tag wird recht anstrengend, denn es geht immer am Kamm entlang durch die eher von Ost nach West verlaufenden Los Angeles Ranges. Bei dem Little Jimmy Trail Camp (384 Meilen) ergibt sich eine günstige Stelle, um den Tag nach 24 km abzuschließen. Herrje, was ein großer Platz und zahllose Zelte. Eine ganze Jugendgruppe und viele kleine Lagerfeuer - dennoch ist es nach Sonnenuntergang bald ruhig, denn die Nächte sind kalt.

Natürlich hatte ich schon bei der Vorbereitung gesehen, dass auch die Strecke vor der High Sierra recht gebirgig ist. Doch erst, wenn man selbst in der Landschaft entlang läuft, erkennt man die beträchtlichen Steigungen, die der Trail hier für einen bereit hält. Das ich am Cajon Pass das erste Mal die 1300 km lange San Andreas Spalte gequert habe, ist mir erst im Nachhinein bewusst geworden. Ich werde diese gewaltige Spalte , an der die Pazifische Platte entlang der Nordamerikanischen Platte gleitet, nochmals bei Lebec am äußersten westlichen Ende der Mojave Wüste queren.

Am 1. Mai bin ich parallel zur Angeles Crest Road oberhalb von Pasadena und dem Großraum Los Angeles bis zur Sulphur Springs Campground (407 Meilen, 37 Tageskilometer) gewandert. Es war ganz schön anstrengend und ich spüre die Füsse ordentlich. Doch so im Flow merkt man die Anstrengung erst hinterher richtig.
Schon früher am Tag habe ich mir eine ordentliche Portion zu Essen gemacht - Tortillia mit fett Marmelade, danach Erdnüsse und Kekse. Unterwegs gibt es ab und zu M+M´s als kleine Energiespritze. Da ich meist nicht weiß, ob ich am Abend Wasser haben werde, koche ich lieber da, wo eine Quelle entspringt oder ein Bach fließt.

Leider plagt mich etwas die Sonnen- und Stauballergie an den Beinen. Es half nichts, ich habe mir die Beine am Mittagsplatz mit klarem Wasser abgespült und dann wieder lange Hosen angezogen.
Der Nachtplatz ist herrlich einsam. Die jüngeren Wanderer, die noch vorbei kamen, sind zum Gruppen-Campground weiter gelaufen - dort sind sie unter sich. Ich aber genieße die Ruhe.
Am Morgen ist mein Schnupftuch gefroren - die Nächte sind noch erbärmlich kalt hier oben. Erst, wenn die Sonne kommt, wird es gemütlich, weswegen ich meist nur abbaue und mich gleich auf den Weg mache. Lieber eine Stunde später irgendwo in der Sonne Frühstück machen wie mit klammen Fingern die heiße Tasse umklammern.

Lustig war eine Begegnung heute mit einer 63-jährigen Frau, die genau am gleichen Tag Geburtstag hat wie ich - und natürlich auch das Ziel hat, an diesem Tag am Northern Terminus anzukommen. Wir werden uns vermutlich noch öfter begegenen.


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